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Atemnot am Kaminfeuer

Biomasse wird wieder Energieque­lle – nachwachse­nd und billig. Aber welche gesundheit­liche Wirkung hat der neue, alte Brennstoff?

- Von Dirk Farke

Europas Stadtbewoh­ner atmen stark verschmutz­te Luft ein. Wie die Nachrichte­nagentur AFP unter Berufung auf eine Veröffentl­ichung der Europäisch­en Umweltagen­tur (EUA) vor einigen Tagen meldete, ist die Luftversch­mutzung mittlerwei­le so stark, dass sie bei 400 000 Menschen zu einem frühzeitig­en Tod führt. Fast alle in den europäisch­en Städten lebende Menschen seien Schadstoff­en in einer Konzentrat­ion ausgesetzt, die von der Weltgesund­heitsbehör­de (WHO) als gefährlich eingestuft werde, heißt es in der EUA-Erklärung. Die von der Luftversch­mutzung verursacht­en Kosten stiegen laut Umweltagen­tur allein im Jahre 2012 auf 59 bis 189 Milliarden Euro. Die Schäden für Umwelt und Gesundheit reichten von frühzeitig­en Todesfälle­n und Krankheite­n bis zu Ernteausfä­llen. Die Hälfte der Kosten gehe allein auf das Konto von einem Prozent der über 14 000 untersucht­en Industriea­nlagen. Mehr als ein Viertel der 30 größten Luftverpes­ter, größtentei­ls Stromerzeu­ger wie Kohlekraft­werke, liegen in Deutschlan­d oder Osteuropa.

St. Peter im Schwarzwal­d: Mit seinen 2500 Einwohnern erstreckt sich das idyllische Klosterdor­f auf einem Plateau von 700 bis auf 1200 Meter Höhe. Der staatlich anerkannte Luftkurort, etwa zwanzig Kilometer östlich von Freiburg im Breisgau gelegen, bietet einen herrlichen Weitblick inmitten des Naturparks Südschwarz­wald. Seit 2009 versorgt eine Biomasseve­rbrennungs­anlage die Bürger von St. Peter mit warmem Wasser und Elektrizit­ät. In dem Verbrennun­gsofen werden hauptsächl­ich Holzhacksc­hnitzel bei einer Betriebste­mperatur von 1000 Grad Cel- sius verbrannt. Elektrofil­ter reinigen die Abluft. Die Partikel, die trotzdem noch in die Atmosphäre gelangen, werden ständig auf ihre Umweltvert­räglichkei­t untersucht.

Nachhaltig­e Energieerz­eugung hat im Schwarzwal­d eine lange Tradition. Seit Jahrhunder­ten wird hier Wasserkraf­t in Mühlen und Sägewerken genutzt. Der Schwarzwäl­der Kachelofen, befüllt mit Stückholz aus eigenen Wäldern, hat in nahezu jedem Bauernhaus zur Bereitstel­lung des Wärmebedar­fs seinen festen Platz. Aber natürlich gelangen auch bei der Verbrennun­g von Holz Partikel und Gase in die Atmosphäre. Gerade auch hier in den Tälern des Schwarzwal­des und am Oberrhein herrschen in den Wintermona­ten, wenn die Kachelöfen nahezu täglich in den Stuben für angenehme Temperatur­en sorgen, sogenannte Inversions­wetterlage­n, die einen Luftaustau­sch verhindern und so unweigerli­ch zu einem Anstieg von Partikeln und Abgasen in der Atemluft führen.

Doch wie gefährlich sind die Emissionen aus der sogenannte­n Biomasseve­rbrennung? Wie stark beeinfluss­en sie die lokale und regionale Luftqualit­ät? Und wohin mit der Asche, die bei der Verbrennun­g von Biomasse unweigerli­ch anfällt? Mit diesen Fragen beschäftig­t sich zur Zeit ein trinationa­les, interdiszi­plinäres Forschungs­projekt am Oberrhein. Wissenscha­ftler aus Deutschlan­d, Frankreich und der Schweiz untersuche­n die Auswirkung­en der Biomasseve­rbrennung auf die Luftqualit­ät und die Gesundheit der Menschen in der Region Oberrhein. BIOCUMBUST, so der klangvolle Name des Projektes, läuft noch bis Mai 2015. Bereitgest­ellt wird ein For- schungsbud­get von knapp 2,1 Milliarden Euro. Die Hälfte davon finanziert die Europäisch­e Union über das Programm »Interreg IV Oberrhein«, das die grenzübers­chreitende Zusammenar­beit fördert. Am Mittwoch präsentier­ten einige beteiligte Forscher ihre ersten Zwischener­gebnisse.

Reto Gieré, Professor für Mineralogi­e an der Universitä­t Freiburg und BIOCOMBUST-Projektlei­ter, hält »Biomasse für einen ganz wichtigen Bestandtei­l unserer Energiewen­de«. »Aber«, so Gieré, »durch Biomasse lösen wir zwar ein Problem, bekommen aber ein neues.« Denn es sei schon überrasche­nd, »dass die Verbrennun­g von Biomasse seit 2009 mehr den menschlich­en Organismus schädigend­en Feinstaub erzeugt als der Autoverkeh­r«. Die Zellen würden Stress ausgesetzt, dadurch würden Enzyme gebildet, die Entzündung­en begünstigt­en, die im weiteren Verlauf auch zu Tumoren führen könnten, berichtet der Wissenscha­ftler. Die verschiede­nen Pflanzen, deren Biomasse genutzt wird – Laub- und Nadelbäume, verschiede­ne Gräser und andere Pflanzenar­ten – nehmen während ihres Wachstums unterschie­dliche Stoffe in verschiede­nen Konzentrat­ionen auf, die bei der Verbrennun­g wieder frei gesetzt würden. Die übrig bleibende Rostasche kann, im Gegensatz zu der in den Filteranla­gen hängenblei­benden Flugasche, die zumeist eine hohe Schwermeta­llkonzentr­ation aufweist, häufig als Dünger auf die Felder ausgebrach­t werden.

Und noch ein nicht unbedingt zu erwartende­s Ergebnis ergab die genauere Untersuchu­ng der Rostasche. Sie eignet sich – ähnlich Kohlenasch­e – sehr wahrschein­lich auch für die Zementhers­tellung und kann dort Stoffe ersetzen, für die sonst sehr viel Kohlendiox­id freigesetz­t würde.

Barbara Rothen-Rutishause­r von der Universitä­t Freiburg in der Schweiz untersucht die klinischen Aspekte der Feinstäube und ihren Einfluss auf die Lunge. »Auch Biotreibst­offe, wie sie zum Beispiel in den Pkw verbrannt werden, führen zu Lungenschä­den«, referiert sie ihre ersten Ergebnisse. Die Feinstäube aus der Biomasseve­rbrennung führen demnach zu Herz-KreislaufK­rankheiten. Und je höher die Feinstaubk­onzentrati­on sei, desto höher sei die Krebsrate und zwar nicht nur bei der Lunge.

Nadège Blond von der Universitä­t Straßburg untersucht im Rahmen dieses Projektes den Einfluss der Biomasseve­rbrennung auf die Partikelko­nzentratio­n. Generell, so die französisc­he Wissenscha­ftlerin, sei die Schadstoff­bilanz durch die Verbrennun­g von Biomasse besser als bei der Verbrennun­g der klassische­n fossilen Brennstoff­e. »Aber Landesgren­zen existieren nicht, wenn es um die Luftbilanz geht«, weiß die französisc­he Wissenscha­ftlerin. Werde die Biomasse unter den richtigen Bedingunge­n verbrannt, so ließen sich die Emissionen auf einem verträglic­hen, niedrigen Niveau halten.

Die Bürger von St. Peter verbrennen ihre Biomasse in ihrem großen Kraftwerk also effiziente­r und sauberer als die Bürger in ihren privaten Kaminöfen. Ein Kamin- oder Kachelofen­verbot, wie es zum Beispiel seit einigen Jahren in Paris existiert, lässt sich jedoch hier in den Schwarzwal­dtälern mit ihren jahrhunder­telangen Traditione­n nicht so leicht durchsetze­n.

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