Wo die Landschaften blühen
Auch 25 Jahre nach dem Fall der Mauer bleibt Deutschland tief gespalten
Berlin. Warum vor 65 Jahren Bonn bundesdeutscher Regierungssitz wurde, gehört ebenso zu den offenen Fragen der Zeitgeschichte wie das Rätsel, weshalb betreffs des exakten Datums dieser Entscheidung so hartnäckig zwei Versionen kursieren, von denen eine den heutigen Sonnabend betrifft.
Lange galt unter den Bewerbern, neben Frankfurt und Bonn waren Stuttgart und Kassel im engeren Kreis, nämlich die Mainmetropole als Favorit – wegen ihres Großstadtgewichts sowie als Sitz des Paulskirchenparlaments und der amerikanisch-britischen Bizonenverwaltung nach 1945.
Dass der schöne Bundestagsbau am Main dann bloß ein Funkhaus wurde, liegt nicht nur an binnen-geopolitischen Überlegungen Konrad Adenauers, dem Frankfurt als zu amerikanisch beeinflusst und Bonn als Bollwerk gegen französische Pläne für ein linksrheinisches Westland gegolten haben soll. Eine Rolle gespielt haben könnten auch zwei Millionen DM an Bestechungsgeldern, was allerdings einer der ersten Untersuchungsausschüsse des Bundestags nie abschließend beurteilen mochte. Vielleicht gar nicht zuletzt zu nennen ist Bonns Nähe zum berühmten Rosengarten des Patriarchen in Rhöndorf.
Für Bonn jedenfalls zahlt sich die nebulöse Kür bis heute aus. In seiner Sonderzone wuchs es zur Großstadt, verleibte sich das Umland ein – und ließ sich 1991 das Ende des »Provisoriums« üppig kompensieren. Behörden aus Berlin und wiederum Frankfurt zogen an den Rhein, sechs Ministerien verblieben.
Jährlich kostet das Hunderte Millionen, die Adenauers Vorgarten eine fortgesetzte Blüte bescheren: Sinnbild für ein Land, das auch nach 25 Jahren ökonomisch tief gespalten bleibt – und dessen »innere Einheit« bei aller Beschwörung allenfalls beim Fußball oder gegen Fremde gelingt.