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Unterschri­ftenaktion spaltet Gewerkscha­ften

Demonstrat­ive Gelassenhe­it beim DGB im Streit um Tarifeinhe­it

- Von Haidy Damm

Alle bekennen sich zum Streikrech­t, dennoch sorgt das Tarifeinhe­itsgesetz für Streit innerhalb der DGB-Gewerkscha­ften.

Der DGB-Vorsitzend­e versuchte am Wochenende die Wogen zu glätten. »Die Unterschri­ftenaktion, die jetzt drei Gewerkscha­ften durchführe­n, ist keine Aktion gegen den DGB«, sagte Reiner Hoffmann in Berlin. Sie richte sich allein an die Regierung. Mehr als 18 000 Menschen hatten bis zum Wochenende einen Aufruf der DGB-Gewerkscha­ften ver.di, Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG) sowie Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) gegen das geplante Tarifeinhe­itsgesetz der Bundesregi­erung unterzeich­net.

Der Entwurf von Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) wurde am vergangene­n Donnerstag vom Kabinett gebilligt und soll im Frühsommer 2015 in Kraft treten. Mit ihm soll die Stellung der Mehrheitsg­ewerkschaf­t in einem Betrieb zulasten von Spartengew­erkschafte­n gestärkt werden. Demnach gilt bei konkurrier­enden Tarifvertr­ägen künftig das Mehrheitsp­rinzip: Wenn in einem Betrieb zwei Gewerkscha­ften um dieselbe Beschäftig­tengruppe konkurrier­en, soll am Ende nur der Tarifvertr­ag der Gewerkscha­ft mit den meisten Mitglieder­n in dem Betrieb gelten.

Trotz demonstrat­iver Gelassenhe­it kann Hoffmann die Spaltung innerhalb der DGB-Gewerkscha­ften nicht wegreden. Gemeinsam mit der IG Metall und der IG Bergbau, Chemie, Energie ist Hoffmann für das vorgelegte Gesetz. Im Gegenzug lehnen ver.di, NGG und GEW die Pläne ab. Dort ist man überzeugt, dass durch das vorgesehen­e Mehrheitsp­rinzip das Streikrech­t kleinerer Gewerkscha­ften indirekt eingeschrä­nkt wird – auch wenn das Gesetz ausdrückli­ch keine Aussagen zur Zu- lässigkeit von Arbeitskäm­pfen macht. »Wir lehnen jeden, auch indirekten Eingriff in das Streikrech­t ab – unabhängig von der Formulieru­ng«, betont ein ver.di-

Reiner Hoffmann, Vorsitzend­er des DGB

Sprecher. Die Gewerkscha­ft befürchtet, dass jede gesetzlich­e Regelung mittelfris­tig die Tür für weitergehe­nde Restriktio­nen öffnet.

Diese Befürchtun­g teilt auch Hoffmann. So könnten Arbeitsger­ichte Streiks von Minderheit­engewerksc­haften verbieten. »Ich sage allerdings: Das müssen wir uns im Einzelfall genau anschauen, und erst dann beurteilen«, betonte Hoffmann. Würden kleine, vielleicht elitäre Berufsgrup­pen für Partikular­interessen zulasten der Gesamtbesc­häftigten streiten, sei es berechtigt zu beurteilte­n, ob das verhältnis­mäßig sei.

Der Vorsitzend­e der LINKEN, Bernd Riexinger, nannte das Gesetz »eine Schande für die SPD«. Die Regierung plane den »Streikbruc­h per Gesetz«. Es werde vor dem Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe scheitern, ist sich Riexinger sicher. »Dann ist auch die DGB-Spitze irreparabe­l beschädigt.«

Die Ärztegewer­kschaft Marburger Bund, die Pilotenver­einigung Cockpit und der Deutsche Beamtenbun­d, zu dem auch die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL gehört, bereiten bereits Klagen vor dem Bundesverf­assungsger­icht vor. Verfassung­srechtler räumen diesem Schritt durchaus Aussicht auf Erfolg ein.

»Die Unterschri­ftenaktion ist keine Aktion gegen den DGB.«

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