Auf gefährlichen Pfaden nahe der AfD
Thüringer CDU suchte ihre Position im Kampf gegen »die Kommunisten«
Seit der Regierungsübernahme von Rot-Rot-Grün ist die Thüringer CDU in der Opposition. Nun hat sie sich auf einen Sonderweg begeben. Der führt ziemlich sicher zu einer Konfrontation mit der Bundes-CDU.
Als es vorbei ist, kann Mike Mohring kaum noch sprechen. Mehr als eine halbe Stunde lang hat er sich bei den Delegierten eines Parteitages der Thüringer Union am Samstag um den Parteivorsitz beworben. Teilweise hatte er bei diesem Auftritt im südthüringischen MengersgereuthHämmern wortgleich die Vorwürfe gegenüber LINKEN, Sozialdemokraten und Grünen wiederholt, die er schon am Freitag im Landtag in Erfurt vorgebracht hatte. Da hatte Mohring als Vorsitzender der CDULandtagsfraktion auf die erste Regierungserklärung des ersten LINKEN-Ministerpräsidenten Deutschlands, Bodo Ramelow, unter anderem erwidert, all dessen schöne Projekte seien überhaupt nicht finanzierbar. Teilweise hatte Mohring den dort angeschlagenen, verhältnismäßig friedlichen Tonfall nun wieder deutlich verschärft.
Aber trotz der Erschöpfung ist Mohring sehr zufrieden. Er nimmt einen Schluck Wasser. Dann einen Schluck Bier. Dann nennt er das Ergebnis seiner kämpferischen Rede »einen großartigen Vertrauensvor- schuss«. So sehr ist er beglückt von seiner Wahl zum neuen Landesvorsitzenden der CDU in Thüringen, dass er sogar mehrfach damit spielt, dass er für die Bundes-CDU inzwischen zu einer Reizfigur geworden ist. Mohring gefällt das.
Mohring kann das tun, weil das Ergebnis seiner Wahl zum Parteichef beachtlich ist: Für den 42-Jährigen, der innerhalb wie außerhalb der Thüringer Union viele Feinde hat, stimmen bei diesem Parteitag von 159 von 181 Delegierten. Das entspricht einer Zustimmung von 87,8 Prozent. Was für ein gutes Wahlergebnis das ist, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass so mancher seiner Stellvertreter nicht einmal 70 Prozent der Ja-Stimmen der Delegierten bekommen hat.
Christine Lieberknecht, Thüringens Ex-Ministerpräsidentin und die bisherige Vorsitzende der LandesCDU, hatte das Ihre zu diesem Wahlergebnis Mohrings beigetragen – obwohl sie und Mohring seit Jahren innerparteiliche Konkurrenten waren und es ihre jeweiligen Lager auch weiterhin sind. Lieberknecht hatte vor der Bewerbungsrede Mohrings die politische Verantwortung dafür übernommen, dass die CDU im Zuge der Landtagswahl im September ihr wichtigstes Ziel verfehlt hatte: Es sollte unmöglich sein, gegen die Partei eine Landesregierung zu bilden.
Vor ziemlich genau einer Woche war Ramelow als Chef der ersten rot- rot-grünen Landesregierung vereidigt worden. Dass die CDU damit nun das erste Mal seit der Wende in der Opposition in Thüringen sei, sei für die Partei ebenso wie für sie persönlich »eine Zäsur«, hatte Lieberknecht gesagt. »Aber es hilft nichts. Wir sind Opposition. Wir müssen diese Rolle annehmen.«
Allerdings begibt sich die Thüringer CDU unter Mohring, um diese Aufgabe wahrzunehmen, nun auf einen Pfad, der nicht nur Lieberknecht, sondern auch vielen in der BundesCDU missfällt: Die Union im Freistaat bewegt sich sichtbar in Richtung AfD – obwohl sowohl die Bundes- als auch die Landespartei per Beschluss jedwede Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen haben. Mohring selbst will solche Beobachtungen zwar nicht kommentieren. »Ich sage zu dem Thema nichts mehr«, erklärt er kurz nach Wahl, als seine Stimme wenigstens wieder ein bisschen da ist. Aber er verweist darauf, dass es im Laufe des Parteitages für zwei Statements besonders viel Applaus gegeben habe: für das von Thüringens Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus, für das der Landrätin des Landkreises Greiz, Martina Schweinsburg. Das sei doch ein Ausdruck dafür, wie die Stimmung in der Partei sei. Althaus – der sich das erste Mal seit fünf Jahren auf einem CDU-Parteitag zu Wort meldete – hatte sich indirekt, aber deutlich gegen die von der Bundes-CDU jüngst noch einmal erneut angemahnte strikte Abgrenzung zwischen CDU und AfD ausgesprochen. Das wichtigste Ziel der Thüringer Union müsse sein, die Ministerpräsidentschaft von Ramelow so schnell wie möglich wieder zu beenden, hatte er gesagt. Zudem müsse man »doch in Deutschland sagen dürfen«, dass es beim Euro einige Probleme zu lösen gebe. Das sei kein Rechtsextremismus, sondern Marktwirtschaft im besten Sinne. Die Kritik am Euro ist eines der zentralen Themen der AfD.
Ähnlich hatte sich auch Schweinsburg geäußert: Die Gespräche Mohrings mit der AfD über die Möglichkeiten, Ramelows Wahl zum Regierungschef zu verhindern, seien richtig gewesen. »Mit wem hätte er denn reden sollen im Thüringer Landtag?«, sagte sie. »Die Bundes-CDU kann es uns gerne vorgeben, wie sie es gerne hätten.« Mit der AfD »leben« müsse aber die Thüringer CDU.
Mohring – der die Bundes-CDU während seiner Rede aufgefordert hatte, die Thüringer Union »im Kampf gegen die Kommunisten« nicht allein zu lassen; auch um Rot-Rot-Grün im Bund zu verhindern – beendet den Parteitag nicht zufällig mit »Grüßen nach Berlin«.