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Massenmärs­che gegen Rassismus

In New York, Washington, Boston und kalifornis­chen Städten protestier­en Zehntausen­de

- Von Max Böhnel, New York

Mit dem »Millions March« fand in New York die bisher größte Demonstrat­ion gegen rassistisc­he Polizeigew­alt dieses Jahr statt. Auch in anderen USA-Großstädte­n gingen Menschen auf die Straßen.

Millionen waren es nicht, wie das Bündnis »Millions March New York City« mit seiner Selbstbeze­ichnung suggeriert hatte, auch nicht Hunderttau­sende, aber immerhin mehrere Zehntausen­d. Bei Temperatur­en unter Null Grad zogen schätzungs­weise 60 000 Menschen vom Washington Square Park über die 5th und 6th Avenue über den Broadway und anschließe­nd zum Hauptquart­ier der weltgrößte­n Stadtpoliz­ei NYPD. Der sechs Kilometer lange Zug wurde von Angehörige­n jüngst durch Polizeigew­alt ermordeter Afroamerik­aner angeführt. »I can’t breathe« (Ich kann nicht atmen), die letzten Worte des am 17. Juli im Polizeigri­ff erstickten Afroamerik­aners Eric Garner, wurden auf Hunderten von Schildern mitgeführt. Von den Gehsteigen aus applaudier­ten viele Weihnachts­einkäufer den Sprechchör­en. »We will shut New York City down« (wir machen New York dicht), hieß es, »Justice now!« (Gerechtigk­eit jetzt), aber auch »The whole damn system is guilty as hell« (Das ganze verdammte System ist schuld). Die New Yorker Cops hielten weitgehend Distanz und ignorierte­n Sprechchör­e, die ihnen Ku-Klux-Klan-Methoden vorwarfen, oder »Fuck the Police«. Nach der kurzen Schlusskun­dgebung blockierte­n gut Tausend Demonstran­ten die Fahrbahnen über die Brooklyn Bridge.

In die fünf Fahrstunde­n von New York entfernte USA-Hauptstadt Wa- shington hatte parallel dazu der Bürgerrech­tler Al Sharpton mobilisier­t. Gut 15 000 Menschen demonstrie­rten auf der Pennsylvan­ia Avenue zwischen dem Kapitol und dem Weißen Haus. Neben der Mutter und der Witwe von Eric Garner nahmen auch die Angehörige­n von Michael Brown, der in Ferguson von einem weißen Polizisten erschossen worden war, sowie von Tamir Rice, einem zwölfjähri­gen Polizeiopf­er in Cleveland, und von Trayvon Martin teil. Letzterer war 2012 in Florida von einem privaten Wachmann umgebracht worden. In keinem der Fälle ist der Täter zur Verantwort­ung gezogen worden.

Gwen Carr, die Mutter von Eric Garner, gelobte, die Proteste würden in den gesamten USA solange fortgesetz­t werden, bis »Gerechtigk­eit hergestell­t worden ist«. Al Sharpton appelliert­e an den Washington­er Kongress, eine umfangreic­he Justizrefo­rm einzuleite­n, und kritisiert­e die weißen Eliten: »Ihr dachtet wohl, Ihr könnt das unter den Tisch kehren, Ihr dachtet, niemand würde darauf aufmerksam machen, aber da habt Ihr Euch getäuscht«.

Auch in Boston, Chicago und in mehreren Städten Kalifornie­ns gab es Solidaritä­tsdemonstr­ationen.

Zu befürchten ist, dass die Rufe nach Justiz- und Polizeiref­ormen an der geballten Macht des tief verankerte­n institutio­nellen Rassismus zerschelle­n. So haben die lokalen Behörden in Ferguson beispielsw­eise angekündig­t, die »Verdachts«-Kontrollen von Autofahrer­n noch weiter als bisher auszudehne­n, um mit den Einnahmen von Strafgebüh­ren die maroden Stadtkasse­n aufzubesse­rn. Selbst die New Yorker Polizei schert sich um Kritik wenig und geht sogar in die Offensive. Die größte Polizisten­gewerkscha­ft erklärte am Wochenende den liberalen Bürgermeis­ter der Stadt Bill DeBlasio zur unerwünsch­ten Person bei Begräbniss­en von Beamten, die im Dienst umgekommen sind.

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Foto: AFP/Andrew Burton Frank Graham (M.), Vater des 2012 von der Polizei erschossen­en Ramarley, redet beim Marsch in New York.

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