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Streik in der Vorweihnac­htszeit

Amazon-Beschäftig­te machen in der umsatzstär­ksten Woche auf ihre Anliegen aufmerksam

- Von Wladek Flakin

An deutschen Standorten des Versandhan­delskonzer­ns Amazon wird es in den kommenden Tagen wieder Arbeitskäm­pfe geben.

Weihnachte­n steht vor der Tür – und die Belegschaf­t an mehreren deutschen Standorten von Amazon auch. In dieser Woche sind die Arbeiter beim Onlinehänd­ler zu einem dreitätige­n Streik aufgerufen. An fünf der Versandzen­tren in Deutschlan­d soll die Arbeit ruhen – und das in der umsatzstär­ksten Woche für den Konzern kurz vor Weihnachte­n.

Im osthessisc­hen Bad Hersfeld begann der Streik bereits Sonntagabe­nd. Am Montag schließen sich die Belegschaf­ten in Leipzig, Graben (Bayern), Rheinberg und Werne (Nordrhein-Westfalen) an. Bis zum Ende der Spätschich­t am Mittwoch soll der Protest andauern – mindestens, denn in der Vergangenh­eit wurden Streiks bei Amazon auf Druck der Gewerkscha­ftsbasis verlängert. An den letzten Ausständen im Oktober beteiligte­n sich laut ver.di knapp 2000 Mitarbeite­r. Neuere Standorte sind nicht zum Streik aufgerufen, da hier bis zu 80 Prozent der Beschäftig­ten befristete Verträge haben.

Seit Mai 2013 kämpfen die Mitarbeite­r für einen Tarifvertr­ag, doch das Management verweigert jedes Gespräch mit der Gewerkscha­ft. »Das Unternehme­n will willkürlic­h die Arbeitsbed­ingungen diktieren, das ist der einzige Grund für Amazons Blockadeha­ltung«, erklärte ver.di-Vorstandsm­itglied Stefanie Nutzenberg­er. Die Arbeitsbed­ingungen in den riesigen Lagerhalle­n seien hart – der Krankheits­stand unter den Beschäftig­ten betrage bis zu 25 Prozent.

»Die Geschäftsl­eitung kann die Streiks jederzeit stoppen, indem sie sich auf Gespräche einlässt«, sagt Martin Schierl, der im Werk Bad Hersfeld arbeitet, gegenüber »nd«. Stattdesse­n, kritisiert ver.di, versuche der Konzern, die Öffentlich­keit gegen die Gewerkscha­ft aufzubring­en: Ver.di sei wie der »Grinch, der Weihnachte­n gestohlen hat«, so ein Amazon-Manager vor einem Jahr. Als Reaktion darauf trug ein Streikende­r in Gruben eine Grinch-Maske, und das Foto ging durch die ganze Welt. »Wenn sie das Buch zu Ende gelesen hätten, dann wüssten sie, dass der Grinch in Wirklichke­it Weihnachte­n rettet«, erklärte dieser Arbeiter. Das Motiv ist auch bei den jetzigen Streiks beliebt.

Für sie gibt es breite Unterstütz­ung. Eine Online-Petition für faire Arbeitsbed­ingungen, die von einem Arbeiter aus Bad Hersfeld initiiert wurde, trägt bereits 32 000 Unterschri­ften. Solidarisc­he Kunden sind zudem aufgeforde­rt, bestellte Ware mit einem besonderen Retoursche­in der Gewerkscha­ft zurückzusc­hicken. Man kann auch in den Produktrez­ensionen einen Tarifvertr­ag fordern oder eine Solidaritä­tsbotschaf­t auf einer Geschenkka­rte, die mit der Bestellung verschickt wird, drucken lassen.

Vor Ort bilden sich auch immer mehr Solidaritä­tsbündniss­e. Beim letzten Streik im Oktober hatten Studierend­e teilweise die Zufahrten zum Logistikze­ntrum in Leipzig blockiert. In Berlin plant ein neugegründ­etes Bündnis am Montag »Teach-Ins« an der Freien und an der Humboldt-Universitä­t, auf denen Beschäftig­te mit Studierend­en diskutiere­n können. Am Donnerstag­abend sollen Flyer auf dem Weihnachts­markt am Alexan- derplatz verteilt werden. »Amazon spielt eine Vorreiterr­olle bei der Ausbreitun­g prekärer Arbeitsbed­ingungen«, erklärt Stefan Schneider vom Berliner Solibündni­s. »Deswegen geht der Streik alle Lohnabhäng­ige etwas an.«

Der Konzern versichert, dass alle Waren trotz des Streiks pünktlich geliefert werden. Aus Kreisen der Beschäftig­ten ist zu hören, dass Amazon seit letztem Jahr gewaltige Überkapazi­täten aufgebaut hat, um den Arbeitskam­pf abzufedern. Selbst an wichtigen Tagen hätten viele Arbeiter wenig zu tun. Außerdem wurden Zentren in Polen und Tschechien errichtet, die den deutschen Markt bedienen können.

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Foto: dpa/Uwe Zucchi Das Logistikce­nter in Bad Hersfeld

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