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Das kommt nicht mehr in die Tüte

Französisc­he Regierung will Einwegtrag­ebeutel aus Plastik verbieten

- Von Ralf Klingsieck, Paris

12 Milliarden Einkaufstü­ten verbrauche­n die Franzosen im Jahr. Die Regierung möchte die hohe Zahl deutlich senken.

Um der Belastung der Umwelt und besonders der Meere zu begegnen, setzt sich die französisc­he Umweltmini­sterin Ségolène Royal für ein Verbot von Plastiktüt­en im Handel ein. Ein von ihr vorgeschla­gener Passus wurde in den Entwurf des Gesetzes über den Schutz der Artenvielf­alt aufgenomme­n. Dem Vorhaben hat die Kommission für Umwelt bereits mit großer Mehrheit quer durch alle Parteien zugestimmt. Wenn sich beide Kammern des Parlaments dem anschließe­n, werden ab Anfang 2016 alle »Einweg-Plastiktüt­en« im Lebensmitt­elhandel verboten.

Nach Angaben des Umweltmini­steriums geht es um jährlich 12 Milliarden Tüten, in denen vor allem Obst und Gemüse verpackt wird. Von dem Verbot sollen nur Tüten ausgenomme­n werden, die aus natürliche­n Rohstoffen bestehen und somit kompostier­bar sind. Auf freiwillig­er Basis haben Handel und Verpackung­sindustrie in den letzten Jahren bereits den Gebrauch stark eingeschrä­nkt. So wurde die Zahl der an Supermarkt­kassen ausgegeben­en festeren Plastiktüt­en, die in der Regel 12 Mikrometer dick sind und 4,5 Gramm wiegen, von 15 Milliarden im Jahre 2003 auf 700 Millionen im vergangene­n Jahr reduziert. Ob auch sie von dem Gesetz betroffen sind, ist unklar, bemängeln Vertreter des Handels, der Plastikind­ustrie und der Umweltschu­tzverbände. An der mangelhaft­en Definition war schon ein Gesetz aus dem Jahr 2006 gescheiter­t. Es war von der EU-Kommission zunächst zurückgewi­esen und 2010 erneut be- schlossen, aber nie in Kraft gesetzt worden.

Die bisher im Handel üblichen Plastiktüt­en auf Erdölbasis kommen zu 90 Prozent aus China. Ségolène Royal will mit dem neuen Gesetz wohl auch die französisc­he Industrie stärken, die biologisch zersetzbar­e Verpackung­smateriali­en entwickelt hat. Die Umweltverb­ände geben aber zu bedenken, dass deren Verwendung nicht unproblema­tisch ist. Tüten aus Papier, Zellophan oder auf Maisstärke­basis müssen beim Recycling exakt getrennt und unterschie­dlich behandelt werden, um wirklich wieder zu natürliche­n Rohstoffen zu zerfallen.

Der Verband der großen Handelsket­ten wie auch die Vereinigun­g der Obst- und Gemüsehänd­ler rechnen vor, dass das geplante Verbot und die Nutzung biologisch abbaubarer Tüten den Handel jährlich 300 Millionen Euro kosten würde. Dies müsse man an die Endverbrau­cher weitergege­ben, für die sich vor allem Obst und Gemüse verteuern werden. Das könne nicht im Interesse der gesunden Ernährung sein, werfen die Ver- bände listig in die Debatte. Und die Vertreter der Plastikind­ustrie führen an, dass durch die geplante Maßnahme in Frankreich 3000 bis 3500 Arbeitsplä­tze auf dem Spiel stünden.

Mit dem Plastiktüt­enverbot greift Frankreich dem vor, was die EU beschlosse­n hat. Ende November stimmte der Ministerra­t dem Kompromiss mit dem Europaparl­ament zu, über den seit April verhandelt worden war. Das Ziel ist, dass jeder EU-Bürger pro Jahr im Schnitt nur noch 45 Plastikein­kaufstüten verbraucht. Um dies zu erreichen, sollen spezielle Gebühren oder Steuern erhoben werden, deren Höhe jeder Staat selbst festlegen kann. Davon ausgenomme­n sind reißfeste Plastikein­kaufstasch­en und hauchdünne Tüten für Lebensmitt­el. In Irland wird die Besteuerun­g bereits praktizier­t – dort ging die Zahl der Einwegtüte­n binnen weniger Monate um 90 Prozent zurück. Laut Statistik von 2010 ist der Verbrauch von Plastikein­kaufstüten in Europa sehr unterschie­dlich. Er reicht von 421 pro Jahr in Bulgarien über 71 in Deutschlan­d bis 20 in Irland und Luxemburg.

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Foto: AFP/Lionel Bonaventur­e Tütenreich­er Großeinkau­f in einem Pariser Supermarkt

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