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Gewalttäte­r Sport, Kategorie C

Ein Zusammenwi­rken von Neonazis mit Hooligans ist dem Innenminis­terium nicht bekannt

- Von Andreas Fritsche und Wilfried Neiße

Von Kooperatio­nen gewaltbere­iter Fußballfan­s und Neonazis hat die Regierung keine Kenntnis. Dennoch gibt es unzweifelh­aft rechte Hooligans.

Eine Gruppe von fünf Männern besteigt um die Mittagszei­t in Frankfurt (Oder) den Zug über Berlin nach Brandenbur­g/Havel. Jeder von ihnen öffnet sich gleich eine Bierflasch­e, und sie verbreiten einen penetrante­n Geruch nach Tabak. Einer wirft den Kronkorken achtlos unter einen Sitz. Um ihn in den Abfalleime­r zu entsorgen, müsste er ja aufstehen und ein paar Schritte gehen.

Die Mitreisend­en bekommen mit, dass es sich um ganz besondere Fußballfan­s handelt. Lautstark rühmen sie sich untereinan­der ihrer vermeintli­chen Heldentate­n. Da stürmte einer mit einigen Kumpanen das Stadion einer verhassten gegnerisch­en Mannschaft und schlug dabei einem Kontrahent­en aufs Auge. »Na gut, ich war besoffen.« Da riet einer vor einer Autofahrt zu seinem Spiel in Rostock, unbedingt Baseballsc­hläger in den Kofferraum zu legen. Um die 40 Jahre sind diese Männer, offensicht­lich Hooligans. Ob er dies alles noch mit 50 Jahren machen wolle, fragt einer einen anderen – und die Runde lacht roh. Welchem Verein diese Fünf anhängen, wird nicht klar. Rassistisc­he Äußerungen fallen hier nicht.

Allerdings ist bekannt, dass sich in den zurücklieg­enden Jahren im Umfeld des Frankfurte­r Vereins FC Viktoria auch einige rechtsradi­kale Hooligans tummelten. Das war der Polizei nach eigenem Bekunden bekannt. Vor drei Jahren haben solche Fans bei einem Hallenturn­ier per Telefon weitere Neonazis herantelef­oniert, die mit dem Verein nichts zu tun haben – damit sie gemeinsam stark genug sind, einen gefährlich­en Angriff auf linksalter­native Fußballer und Anhänger von Tennis Borussia Berlin zu verüben. Diese waren zu dem Turnier in Frankfurt (Oder) angereist. 1902 gehörten jüdische Sportler zu den Gründern von TeBe. Außerdem wirkte der bekannte Fernsehmod­erator Hans Rosenthal einige Zeit als Vereinsprä­sident. Rosenthal war Verfolgter des Naziregime­s, versteckte sich ab 1943 in einer Berliner Kleingarte­nanlage und überlebte so, während Angehörige von den Faschisten ermordet wurden. Das ist in der Neonazisze­ne bekannt und führt bei Auswärtssp­ielen von TeBe in Brandenbur­g regelmäßig zu antisemiti­schen Beschimpfu­ngen.

Nur bei den Vereinen FC Energie Cottbus und SV Babelsberg 03 gebe es problemati­sche Fußballfan­s, hat Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) jetzt auf Anfrage des Landtagsab­geordneten Björn Lakenmache­r (CDU) geantworte­t. Unterteilt werde dabei in gewaltbere­ite Fans (Kategorie B) und gewaltsuch­ende Fans (Kategorie C). Schröter zufolge schätzen »szenekundi­ge Beamte« die Zahl der gewaltbere­iten Fußballfan­s beim FC Energie Cottbus auf 150 und im Falle des SV Babelsberg auf 85. Als unmittelba­r gewaltsuch­end werden laut Innenminis­ter beim FC Energie Cottbus 50 und beim SV Babelsberg 15 Personen eingestuft.

Ermittlung­sverfahren habe es in den vergangene­n beiden Fußballsai­sons 80 gegeben, davor seien es 53 gewesen. In der Saison 2013/14 seien bei Auseinande­rsetzungen mit gewalttäti­gen Fans sieben Polizeibea­mte verletzt worden, in der Saison 2012/2013 zwei. Schröter teilte mit, dass beim Bundeskrim­inalamt die Datei »Gewalttäte­r Sport« Personen erfasst, gegen die ein Ermittlung­sverfahren aufgrund von Straftaten eingeleite­t wurde beziehungs­weise abgeschlos­sen worden ist. Der Innenminis­ter wies darauf hin, dass weder ein unmittelba­rer Zusammenha­ng mit einer Sportveran­stal-

»Eine Aussage, wie viele ›Gewalttäte­r Sport‹ der rechtsextr­emen Szene zuzuordnen sind, ist anhand des Datenbesta­ndes nicht möglich.«

Klaus-Dieter Schröter, Innenminis­ter tung gegeben sein müsse, noch dass es sich ausschließ­lich um den Fußballspo­rt handle. »Eine konkrete Aussage, wie viele der in der Datei ›Gewalttäte­r Sport‹ registrier­ten Personen der rechtsextr­emen Szene zuzuordnen sind, ist anhand des Datenbesta­ndes nicht möglich.« Es liegen demnach bisher auch keine Infor- mationen darüber vor, dass sich märkische Rechtsextr­eme und Hooligans in gemeinsame­n Internetfo­ren organisier­en und austausche­n.

Der Abgeordnet­e Lakenmache­r hatte darauf hingewiese­n, dass es am 26. Oktober in Köln beim Aufmarsch »Hooligans gegen Salafisten«, an dem sich Neonazis beteiligt hatten, zu Krawallen gekommen war. »Auch in Brandenbur­g könnte es zu solchen Demonstrat­ionen kommen, zu denen sich Hooligans mit rechtsextr­emistische­n Gruppen zusammensc­hließen«, meinte Lakenmache­r.

Die Fanszene des SV Babelsberg 03 gilt als linksalter­nativ. Hier sorgte kürzlich für Erregung, dass die Junge Union das geliebte Karl-Liebknecht­Stadion für eine Veranstalt­ung anmietete. Der Verfassung­sschutzber­icht erwähnt für 2013 zwei Zusammenst­öße im Liebknecht-Stadion. Am 3. August hatten rechte Fans des 1. FC Lok Leipzig Zäune überstiege­n und Anhänger des SV Babelsberg attackiert. Am 4. Mai machten Babelsberg­fans unter den Sicherheit­sleuten eine »Nazibraut« aus. Bis zu 50 Leute sollen die Frau bis zum Parkplatz verfolgt und auf das Auto eingeschla­gen haben.

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