Gewalttäter Sport, Kategorie C
Ein Zusammenwirken von Neonazis mit Hooligans ist dem Innenministerium nicht bekannt
Von Kooperationen gewaltbereiter Fußballfans und Neonazis hat die Regierung keine Kenntnis. Dennoch gibt es unzweifelhaft rechte Hooligans.
Eine Gruppe von fünf Männern besteigt um die Mittagszeit in Frankfurt (Oder) den Zug über Berlin nach Brandenburg/Havel. Jeder von ihnen öffnet sich gleich eine Bierflasche, und sie verbreiten einen penetranten Geruch nach Tabak. Einer wirft den Kronkorken achtlos unter einen Sitz. Um ihn in den Abfalleimer zu entsorgen, müsste er ja aufstehen und ein paar Schritte gehen.
Die Mitreisenden bekommen mit, dass es sich um ganz besondere Fußballfans handelt. Lautstark rühmen sie sich untereinander ihrer vermeintlichen Heldentaten. Da stürmte einer mit einigen Kumpanen das Stadion einer verhassten gegnerischen Mannschaft und schlug dabei einem Kontrahenten aufs Auge. »Na gut, ich war besoffen.« Da riet einer vor einer Autofahrt zu seinem Spiel in Rostock, unbedingt Baseballschläger in den Kofferraum zu legen. Um die 40 Jahre sind diese Männer, offensichtlich Hooligans. Ob er dies alles noch mit 50 Jahren machen wolle, fragt einer einen anderen – und die Runde lacht roh. Welchem Verein diese Fünf anhängen, wird nicht klar. Rassistische Äußerungen fallen hier nicht.
Allerdings ist bekannt, dass sich in den zurückliegenden Jahren im Umfeld des Frankfurter Vereins FC Viktoria auch einige rechtsradikale Hooligans tummelten. Das war der Polizei nach eigenem Bekunden bekannt. Vor drei Jahren haben solche Fans bei einem Hallenturnier per Telefon weitere Neonazis herantelefoniert, die mit dem Verein nichts zu tun haben – damit sie gemeinsam stark genug sind, einen gefährlichen Angriff auf linksalternative Fußballer und Anhänger von Tennis Borussia Berlin zu verüben. Diese waren zu dem Turnier in Frankfurt (Oder) angereist. 1902 gehörten jüdische Sportler zu den Gründern von TeBe. Außerdem wirkte der bekannte Fernsehmoderator Hans Rosenthal einige Zeit als Vereinspräsident. Rosenthal war Verfolgter des Naziregimes, versteckte sich ab 1943 in einer Berliner Kleingartenanlage und überlebte so, während Angehörige von den Faschisten ermordet wurden. Das ist in der Neonaziszene bekannt und führt bei Auswärtsspielen von TeBe in Brandenburg regelmäßig zu antisemitischen Beschimpfungen.
Nur bei den Vereinen FC Energie Cottbus und SV Babelsberg 03 gebe es problematische Fußballfans, hat Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) jetzt auf Anfrage des Landtagsabgeordneten Björn Lakenmacher (CDU) geantwortet. Unterteilt werde dabei in gewaltbereite Fans (Kategorie B) und gewaltsuchende Fans (Kategorie C). Schröter zufolge schätzen »szenekundige Beamte« die Zahl der gewaltbereiten Fußballfans beim FC Energie Cottbus auf 150 und im Falle des SV Babelsberg auf 85. Als unmittelbar gewaltsuchend werden laut Innenminister beim FC Energie Cottbus 50 und beim SV Babelsberg 15 Personen eingestuft.
Ermittlungsverfahren habe es in den vergangenen beiden Fußballsaisons 80 gegeben, davor seien es 53 gewesen. In der Saison 2013/14 seien bei Auseinandersetzungen mit gewalttätigen Fans sieben Polizeibeamte verletzt worden, in der Saison 2012/2013 zwei. Schröter teilte mit, dass beim Bundeskriminalamt die Datei »Gewalttäter Sport« Personen erfasst, gegen die ein Ermittlungsverfahren aufgrund von Straftaten eingeleitet wurde beziehungsweise abgeschlossen worden ist. Der Innenminister wies darauf hin, dass weder ein unmittelbarer Zusammenhang mit einer Sportveranstal-
»Eine Aussage, wie viele ›Gewalttäter Sport‹ der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind, ist anhand des Datenbestandes nicht möglich.«
Klaus-Dieter Schröter, Innenminister tung gegeben sein müsse, noch dass es sich ausschließlich um den Fußballsport handle. »Eine konkrete Aussage, wie viele der in der Datei ›Gewalttäter Sport‹ registrierten Personen der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind, ist anhand des Datenbestandes nicht möglich.« Es liegen demnach bisher auch keine Infor- mationen darüber vor, dass sich märkische Rechtsextreme und Hooligans in gemeinsamen Internetforen organisieren und austauschen.
Der Abgeordnete Lakenmacher hatte darauf hingewiesen, dass es am 26. Oktober in Köln beim Aufmarsch »Hooligans gegen Salafisten«, an dem sich Neonazis beteiligt hatten, zu Krawallen gekommen war. »Auch in Brandenburg könnte es zu solchen Demonstrationen kommen, zu denen sich Hooligans mit rechtsextremistischen Gruppen zusammenschließen«, meinte Lakenmacher.
Die Fanszene des SV Babelsberg 03 gilt als linksalternativ. Hier sorgte kürzlich für Erregung, dass die Junge Union das geliebte Karl-LiebknechtStadion für eine Veranstaltung anmietete. Der Verfassungsschutzbericht erwähnt für 2013 zwei Zusammenstöße im Liebknecht-Stadion. Am 3. August hatten rechte Fans des 1. FC Lok Leipzig Zäune überstiegen und Anhänger des SV Babelsberg attackiert. Am 4. Mai machten Babelsbergfans unter den Sicherheitsleuten eine »Nazibraut« aus. Bis zu 50 Leute sollen die Frau bis zum Parkplatz verfolgt und auf das Auto eingeschlagen haben.