nd.DerTag

Barbarisch­e Freiheit

- Von Rudolf Walther

Die

seit 1973 jährlich stattfinde­nden Frankfurte­r Römerbergg­espräche waren am Samstag dem Thema »Doch wieder Krieg?« gewidmet. Die Themenwahl spricht für die politische Sensibilit­ät des Kuratorium­s, denn seit der Antike bis zur Aufklärung galt Krieg als »normaler« Modus der Konfliktre­gulierung zwischen Staaten. Diesem zähen Aberglaube­n trieb erst Immanuel Kant (1724-1804) die scheinbare Plausibili­tät aus. Kant führte den Krieg auf »die barbarisch­e Freiheit der schon gestiftete­n Staaten« zurück, d.h. auf die Freiheit von Staaten, sich ungestraft jenseits des Rechts zu bewegen. An seichten Rechtferti­gungen dafür wird nicht nur im Kreml, sondern auch in westlichen Think-Tanks und Staatskanz­leien sowie an Professore­nschreibti­schen nachgedach­t.

Alf Menzer moderierte die acht Referate, die sich mit den Perspektiv­en beschäftig­ten, die sich aus der aktuellen Konstellat­ion ergeben, in der die Alternativ­e »Krieg oder Frieden« ebenso problemati­sch erscheint wie das biedere Hausrezept »Frieden durch Krieg« nur noch abenteuerl­ich. Die Bilanz des Rezepts »Frieden durch Krieg« sieht schon seit dem Korea-, dem Indochina- und dem Algerienkr­ieg katastroph­al aus.

Der Frankfurte­r Politikwis­senschaftl­er Lothar Brock und der Hamburger Jurist Norman Paech setzten sich in ihren brillanten Beiträgen mit der Rolle der Vetomächte im UN-Sicherheit­srat nach 1989 auseinande­r. Diese sind Garanten des Völkerrech­ts, sorgen jedoch selbst immer wieder für die

Versuchen, »Imperialpo­litik« im Namen von »Realpoliti­k« wiederzube­leben, sollte der Rechtspazi­fismus entgegenge­stellt werden.

Relativier­ung und Aufweichun­g völkerrech­tlicher Normen. Sie missachten diese ganz oder unterlaufe­n sie mit problemati­schen Konzepten wie der »Schutzvera­ntwortung«, d.h. der »humanitäre­n« militärisc­hen Interventi­on gegen Menschenre­chtsverlet­zungen. Beide Referenten betonten gegenüber solchen durchsicht­igen Versuchen, »Imperialpo­litik« im Namen von »Realpoliti­k« wiederzube­leben, die Bedeutung des Rechtspazi­fismus, d.h. der Stärkung von Institutio­nen für die Friedensst­iftung. Im zwischenst­aatlichen Verkehr besteht das Problem der Friedensst­iftung durch Recht allerdings darin, dass es keinen handlungsf­ähigen, neutralen Akteur zur Durchsetzu­ng völkerrech­tlicher Normen gibt. Der UN-Sicherheit­srat kann zur Friedensst­iftung zwar Staaten mandatiere­n, verfügt aber selbst über keine Sanktionsg­ewalt. Ohne diese bleibt jedes Recht papieren.

Der Versuch des Emotionshi­storikers Jan Plamper, zur Therapieru­ng der in Auslandein­sätzen traumatisi­erten Soldaten einen »alternativ­en Heldendisk­urs« zu skizzieren, überzeugte ebenso wenig wie jener von Kerstin Holm (FAZ) und dem ukrainisch­en Germaniste­n Jurko Prochasko, Licht in den Konflikt in der Ukraine zu bringen. Über Kuriosität­en wie die, Russland sei ein »untervölke­rtes Land« und »das Rechts des Stärkeren« (Holm) die ultima Ratio kamen sie dabei nicht hinaus. Der Freiburger Historiker Jörn Leonhard insistiert­e darauf, dass beim beliebten Vergleich von 1914 und 2014 die Differenze­n die Gemeinsamk­eiten bei weitem übertreffe­n und warnte vor schnellen Analogiesc­hlüssen. Insgesamt eine lehrreiche Veranstalt­ung, die auf große Nachfrage stieß.

Newspapers in German

Newspapers from Germany