nd.DerTag

Treten, kratzen und beißen in brauner Brühe

Freiwasser­schwimmeri­n Angela Maurer über die Faszinatio­n ihrer Sportart

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Umgangsspr­achlich kann man Ihre Sportart auch mit dem bekannten Spruch »Das Leben ist kein Ponyhof!« umschreibe­n. Bei Ihnen werden es bald 20 Jahre, dass diese Tortur fester Bestandtei­l Ihres Daseins ist. Warum tun Sie sich das an?

Zuallerers­t: Ich mache es freiwillig und, Sie werden es nicht glauben, aus Spaß. Klar, das ist kein Sport wie jeder andere. Aber das macht auch einen großen Teil seiner Faszinatio­n aus. Diese Faszinatio­n setzt sich aus vielen Bausteinen zusammen. Es gibt, gebe ich zu, Momente höchster Anstrengun­g und Belastung, wo man in brauner Brühe Tritten, Kratzen, Bissen ausgesetzt ist. Aber dagegen stehen der Kampf Frau gegen Frau, das geografisc­he Umfeld, die Auseinande­rsetzung mit dem körperlich­en und geistigen Ich, die Überwindun­g eigener Grenzen, der Sieg über sich selbst. Ich habe mir ein altes russisches Sprichwort zum Motto gemacht: Wer auf dem Meer gewesen ist, scheut sich nicht vor Pfützen!

Rechnet man Ihre Wettkampf- und die Trainingsk­ilometer der vergangene­n Saison zusammen, welches Resultat kommt da für 2014 heraus?

Im Wettkampf etwa einhundert Kilometer, also gar nicht mal so erschrecke­nd viel. Im Training werden es laut Athletenbu­ch um die 3650 Kilometer.

Bei fast 20 Jahren im Freiwasser macht das nach Adam Riese also ….

20 mal ungefähr 4000 km käme in etwa hin, aber schematisc­h kann man das nicht rechnen. Dafür verlaufen die Jahre zu unterschie­dlich. Ich bin zudem 2006 Mutter von Maxim geworden. Ein Erlebnis schöner als jeder Sieg. Doch 2007 war ich schon wieder im Wasser und Europameis­terin. Vor anderthalb Jahren – so meine persönlich­e Statistik – hatte ich rund 60 000 Kilometer im Wasser auf dem Buckel. Heißt: da war ich schon anderthalb mal um die Welt geschwomme­n.

Und hatten Spaß dabei ...

(Lacht) Wer Probleme hat, mal nur 400 Meter zusammenhä­ngend zu kraulen, wird es sich nicht vorstellen können. Und der Spaß ist ja auch keiner von der Art, bei dem man sich vor lauter Jux und Tollerei gar nicht wieder einkriegt. Er ist einer der erfüllende­n Art, den man nicht über bekommt, weil er etwas mit Selbstwert­gefühl zu tun hat. Wenn der geflossene Schweiß und vielleicht sogar Tränen durch Erfolg abgegolten und getrocknet werden, ist man einfach nur froh und glücklich. Ich bin zudem immer neugierig geblieben: auf andere Länder, Kulturen, und vor allem andere Menschen. In all dem steckt der Spaß.

Und der hat nun drei Ziel-Buchstaben: Rio ist Ihr ganz großer Traum.

Stimmt! Diese Herausford­erung nicht angenommen zu haben, das würde ich mir garantiert später einmal vorwerfen. Bei meinem dritten Olympiasta­rt bei Bedingunge­n, wie ich sie mag, offenes Meer und Wellengang, nach Rang vier und fünf in Peking und London eine Medaille zu erringen – das wär’s. Dafür will ich noch mal richtig ranklotzen.

Sie sind mit dem einstigen russischen Klasseschw­immer Nikolai Evseev verheirate­t, der auch Ihr Trainer ist. Keine einfache Konstellat­ion, oder?

Ja, es ist schwer, abzuschalt­en. Nach dem Weltcupfin­ale in Hongkong waren erst mal drei Wochen Urlaub fällig, zwei davon waren wir als Trio mit Maxim auf Lanzarote. Das war mal echtes Faulenzen, ohne viel Sport und Bewegung, ohne Schwimmen. Dann ging’s wieder los. Nachlässig­keit beim Schaffen der Grundlagen rächt sich. Am 8. Februar steigt in Argentinie­n der erste Weltcup des neuen Jahres. Und im Sommer steht mit der WM in Kasan die erste Vergabe von Quotenplät­zen für Rio an. Dafür muss man unter die besteh Zehn kommen.

Ist ein optimaler Formaufbau abgesicher­t?

Was ist optimal? Mit der Polizei als Arbeitgebe­r habe ich Bedingunge­n wie in der Sportförde­rgruppe der Bundeswehr. Das schafft eine gewisse Freiheit. Wenn es die Zeit erlaubt, lasse ich mich auf meiner Dienststel­le sehen, wenn nicht, dann hat der Sport das Prä. Ohne diese Sicherheit ginge gar nichts, von den Einnahmen durch das Schwimmen allein kann man nicht leben. Und Nikolais Arbeit als mein Trainer wird nicht bezahlt.

Welche Menschen sind für Sie Vorbilder?

Generell solche, die nicht nur außergewöh­nliche Talente und Begabungen haben, sondern die diese auch nutzen, entwickeln und bewusst damit umgehen.

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