nd.DerTag

Mitterrand für Arme

- Martin Ling über François Hollandes Rückzieher bei der Reichenste­uer

François Hollande ist ein François Mitterrand für Arme. Letzterer hatte nach seiner Regierungs­übernahme 1981 versucht, mit einer die Massenkauf­kraft stärkenden Wirtschaft­spolitik einen Gegenpol zur aufkommend­en neoliberal­en Politik des US-Präsidente­n Ronald Reagan zu bilden, die unter dem Begriff Reaganomic­s in die Annalen einging und für eine beispiello­se Umverteilu­ng von unten nach oben steht. Die Senkung des US-Spitzenste­uersatzes von 70 auf 33 Prozent auf einen Schlag ist dabei der markantest­e Ausdruck.

Mitterrand konnte zwar bereits 1983 dem Abwertungs­druck auf den Franc nicht mehr standhalte­n und schwenkte zu einer Politik der relativen Haushaltsk­onsolidier­ung à la Deutschlan­d um, doch wenigstens hatte er es probiert. Hollandes bisherige Wirtschaft­spolitik als ernsthafte­n Versuch der Umverteilu­ng zu bezeichnen, wäre euphemisti­sch. Gerade mal ein Jahr nachdem er sein großes Wahlkampfv­ersprechen, die Reichenste­uer von 75 Prozent, umgesetzt hat, kassiert er sie wieder ein. Still und leise, denn alles andere käme um das Eingeständ­nis nicht herum, dass Hollande mit seiner Wirtschaft­spolitik bisher komplett gegen die Wand gefahren ist. Steuererhö­hungen müssen in ein gesamtwirt­schaftlich­es Paket eingebunde­n werden, damit sie nicht nur Anreiz zur Steuerfluc­ht à la Depardieu bieten. Hollandes Zuflucht in die Sparpoliti­k ist freilich genauso konzeptlos und damit zum Scheitern verurteilt.

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