Bundesagentur fordert Rente mit 70
Frank-Jürgen Weise plädiert für »freiwillige« Ausweitung der Lebensarbeitszeit
Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, will, dass Arbeitnehmer »freiwillig« mit 70 Jahren in Rente gehen.
Die Diskussion um flexiblere Übergänge in die Rente erhält neue Nahrung. Ausgerechnet der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, machte sich für eine freiwillige Verlängerung der Lebensarbeitszeit stark. »Flexible Ausstiege aus dem Erwerbsleben in Rente sind grundsätzlich ein gutes Modell«, sagte Weise der Tageszeitung »Die Welt« vom Freitag. Die Große Koalition habe den früheren Ausstieg mit 63 ermöglicht. »Man sollte nun auch Anreize dafür setzen, dass Arbeitnehmer, die fit sind, freiwillig bis 70 arbeiten können«, unterstrich der BA-Chef gegenüber der Zeitung. Das stimmt nicht ganz, weil die Rente mit 63 genau genom- men nur zwei Jahrgänge betrifft. Die Union hatte dem SPD-Projekt Rente mit 63 nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die Renteneingänge nach hinten raus »flexibler« gestaltet werden. Wie das umgesetzt werden soll, ist noch nicht ganz klar. Derzeit verhandeln die Koalitionspartner hinter verschlossenen Türen.
Der Wirtschaftsflügel der Union plädiert für einen »Flexi-Bonus«, damit Rentner länger im Job bleiben. Dabei sollen die abgeführten Arbeitgeberbeiträge künftig zu einem Zuschlag zur Rente der Beschäftigten führen.
Die SPD-Führung zeigt sich offen für einen Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte, dass er es begrüßen würde, wenn ältere Arbeitnehmer länger im Job blieben. Allerdings müssten auch die Beschäftigungschancen von Frauen, An- und Ungelernten sowie behinderten Menschen verbessert werden. Sein Ministerium veröffentlichte Zahlen, wonach sich der Fachkräftemangel verstärken wird, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter kom-
»Flexible Ausstiege aus dem Erwerbsleben in Rente sind grundsätzlich ein gutes Modell.«
Frank-Jürgen Weise
men. Von 6,7 Millionen Fachkräften, die in den Engpassberufen arbeiten, gehen danach 2,1 Millionen in den kommenden 15 Jahren in Rente.
Kritik kam am Freitag von der LINKEN-Chefin Katja Kipping. »Nachdem man jetzt schon die Generation Praktikum sehr breitflächig in befristete Jobs gepresst hat, soll jetzt auch die Generation Ü 65 in befristete Jobs gepresst werden, und das halte ich für falsch«, so Kipping gegenüber MDR-Info.
Während die Flexi-Rente noch Zukunftsmusik ist, trat der Mindestlohn zum 1. Januar in Kraft. LINKE und Gewerkschaften fürchten, dass viele Arbeitgeber die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro unterlaufen werden. »Das Problem wird sein, dass der Mindestlohn in vielen Betrieben nicht gezahlt wird, wenn die Leute nicht klagen«, sagte Linksparteichef Bernd Riexinger. Die Arbeitgeber könnten versuchen, Weihnachtsoder Urlaubsgeld auf den Mindestlohn anzurechnen, so Riexinger. Auch bestehe die Gefahr, dass Beschäftigte in Bereichen, wo es keine Zeiterfassung gibt, quasi unbezahlt länger arbeiten müssten und damit nicht auf 8,50 Euro pro Stunde kämen. Auch der IG-BAUVorsitzende Robert Feiger rechnet nicht damit, »dass sich alle Unternehmen freiwillig an das Gesetz halten«.