Zwischen Athen und Anhalt
In der letzten Umfrage 2014 hat die LINKE ihren besten Wert seit Monaten erreicht. Besser als elf Prozent hat die Partei im vergangenen Jahr in keiner Umfrage der sieben Institute abgeschnitten, die inzwischen allwöchentlich mit ihren Zahlen den politisch-medialen Betrieb versorgen.
In den elf Prozent drückt sich zumindest so etwas wie eine Erwartung aus, die an die LINKE adressiert wird. Ob sie erfüllt werden kann, wird sich (nicht nur, aber messbar) in einem Wahlzyklus zeigen, der bis ins Jahr 2016 reicht.
Zunächst wird in Bremen und Hamburg abgestimmt, für die LINKE geht es um den erneuten Einzug in zwei Landesparlamente – also um Behauptung. Schon in diesem Jahr wird auch der Wahlkampf in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg beginnen, wo die Ausgangslage (Flächenländer statt Stadtstaaten) für 2016 eine ganz andere ist – es geht eher um verspätetes Ankommen. Gewählt wird auch im Osten wieder – und auch dort beginnt 2015 bereits der Wahlkampf. Mit Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern stehen im Frühjahr 2016 Abstimmungen in zwei Bundesländern an, in denen die LINKE eine begründete Aussicht auf Regierungsbeteiligungen pflegt. Diese sind in der Partei und darüber hinaus umstritten – auch deshalb wird 2015 ein besonderer Blick auf die rot-rot-grüne Koalition in Thüringen gerichtet sein. ist Chefredakteur von »neues deutschland«.
Die LINKE ist dabei immer beides: hier Oppositionskraft, da Regierungsanwärterin. Und weil das so ist, liegt auch die Gefahr so nahe, dass Wähler – so oder so – enttäuscht werden. Man kann hier den Bogen sogar von Anhalt bis Athen schlagen: Sollte dort SYRIZA gewinnen, steht das Linksbündnis um Alexis Tsipras vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Das eigene Regierungsprogramm wird man kaum eins zu eins umsetzen können – aber ist das ein Argument, deshalb die anderen weitermachen zu lassen?
Wird SYRIZA die Wahl gewinnen, kehrt auch hier die Krise in die politische Debatte zurück. Man darf sich nichts vormachen: In den Hauptorchestern werden dann keine linken Melodien gespielt. Die Aggressivität, mit der jetzt schon gegen einen alternativen Entwicklungspfad Front gemacht wird, lässt erahnen, was noch folgen wird: Stimmungsmache zu Gunsten autoritärer Krisenbewältigung à la Angela Merkel, die nur das Austeritätsdogma kennt – und selbst in Deutschland, das noch »gut durchgekommen« ist, für neue soziale und politische Verunsicherungen sorgt.
Diese Verunsicherung verschafft sich hierzulande – anders als in einigen südeuropäischen Ländern – derzeit vor allem rechts Luft. Und es ist kein Anlass für Genugtuung, wenn mit Blick etwa auf die WutbürgerAufmärsche gesagt werden kann, dass diese Radikalisierung als mögliche Folge der EU-Krisenpolitik schon vor Jahren von Linken prognostiziert wurde. Pegida und die AfD haben so gesehen (also aus anderem Grund, als es im parteiinternen Streit der Union behauptet wird) tatsächlich etwas mit Merkels Politik zu tun.
Gegen den Rechtsruck eine neue, nicht bloß symbolische Politik der Solidarität populär zu machen, ist so nötig wie schwierig. Mit Demonstrationen gegen Rassismus und der klaren Abgrenzung gegenüber antiaufklärerischem Furor wird es nicht getan sein. Darüber hinaus müsste eine Gegenbewegung im Alltag und im Betrieb verankert sein, so wie jetzt schon in vielen Willkommensinitiativen für Flüchtlinge. Und sie muss in parlamentarischen Mehrheiten sichtbar werden, etwa indem mit Abschiebestopps gezeigt wird, dass eine andere Politik immer noch und vor allem real möglich ist.
Die schon oft strapazierte Idee eines gesellschaftlichen Mitte-untenBündnisses, in dem über den Tellerrand individueller Interessen hinaus das gemeinsame Bedürfnis nach sozialer, demokratischer und ökologischer Politik wirksam werden kann – getragen von der Erkenntnis, das persönliche Emanzipation nur denkbar ist, wenn sie nicht auf Kosten anderer geschieht –, bekommt eine neue Bewährungsprobe. Es wird auch eine für die Linkspartei sein.