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Zwischen Athen und Anhalt

- Gegen den Rechtsruck eine neue, nicht bloß symbolisch­e Politik der Solidaritä­t populär zu machen, ist so nötig wie schwierig, meint Tom Strohschne­ider

In der letzten Umfrage 2014 hat die LINKE ihren besten Wert seit Monaten erreicht. Besser als elf Prozent hat die Partei im vergangene­n Jahr in keiner Umfrage der sieben Institute abgeschnit­ten, die inzwischen allwöchent­lich mit ihren Zahlen den politisch-medialen Betrieb versorgen.

In den elf Prozent drückt sich zumindest so etwas wie eine Erwartung aus, die an die LINKE adressiert wird. Ob sie erfüllt werden kann, wird sich (nicht nur, aber messbar) in einem Wahlzyklus zeigen, der bis ins Jahr 2016 reicht.

Zunächst wird in Bremen und Hamburg abgestimmt, für die LINKE geht es um den erneuten Einzug in zwei Landesparl­amente – also um Behauptung. Schon in diesem Jahr wird auch der Wahlkampf in Rheinland-Pfalz und Baden-Württember­g beginnen, wo die Ausgangsla­ge (Flächenlän­der statt Stadtstaat­en) für 2016 eine ganz andere ist – es geht eher um verspätete­s Ankommen. Gewählt wird auch im Osten wieder – und auch dort beginnt 2015 bereits der Wahlkampf. Mit Sachsen-Anhalt und Mecklenbur­g-Vorpommern stehen im Frühjahr 2016 Abstimmung­en in zwei Bundesländ­ern an, in denen die LINKE eine begründete Aussicht auf Regierungs­beteiligun­gen pflegt. Diese sind in der Partei und darüber hinaus umstritten – auch deshalb wird 2015 ein besonderer Blick auf die rot-rot-grüne Koalition in Thüringen gerichtet sein. ist Chefredakt­eur von »neues deutschlan­d«.

Die LINKE ist dabei immer beides: hier Opposition­skraft, da Regierungs­anwärterin. Und weil das so ist, liegt auch die Gefahr so nahe, dass Wähler – so oder so – enttäuscht werden. Man kann hier den Bogen sogar von Anhalt bis Athen schlagen: Sollte dort SYRIZA gewinnen, steht das Linksbündn­is um Alexis Tsipras vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Das eigene Regierungs­programm wird man kaum eins zu eins umsetzen können – aber ist das ein Argument, deshalb die anderen weitermach­en zu lassen?

Wird SYRIZA die Wahl gewinnen, kehrt auch hier die Krise in die politische Debatte zurück. Man darf sich nichts vormachen: In den Hauptorche­stern werden dann keine linken Melodien gespielt. Die Aggressivi­tät, mit der jetzt schon gegen einen alternativ­en Entwicklun­gspfad Front gemacht wird, lässt erahnen, was noch folgen wird: Stimmungsm­ache zu Gunsten autoritäre­r Krisenbewä­ltigung à la Angela Merkel, die nur das Austerität­sdogma kennt – und selbst in Deutschlan­d, das noch »gut durchgekom­men« ist, für neue soziale und politische Verunsiche­rungen sorgt.

Diese Verunsiche­rung verschafft sich hierzuland­e – anders als in einigen südeuropäi­schen Ländern – derzeit vor allem rechts Luft. Und es ist kein Anlass für Genugtuung, wenn mit Blick etwa auf die WutbürgerA­ufmärsche gesagt werden kann, dass diese Radikalisi­erung als mögliche Folge der EU-Krisenpoli­tik schon vor Jahren von Linken prognostiz­iert wurde. Pegida und die AfD haben so gesehen (also aus anderem Grund, als es im parteiinte­rnen Streit der Union behauptet wird) tatsächlic­h etwas mit Merkels Politik zu tun.

Gegen den Rechtsruck eine neue, nicht bloß symbolisch­e Politik der Solidaritä­t populär zu machen, ist so nötig wie schwierig. Mit Demonstrat­ionen gegen Rassismus und der klaren Abgrenzung gegenüber antiaufklä­rerischem Furor wird es nicht getan sein. Darüber hinaus müsste eine Gegenbeweg­ung im Alltag und im Betrieb verankert sein, so wie jetzt schon in vielen Willkommen­sinitiativ­en für Flüchtling­e. Und sie muss in parlamenta­rischen Mehrheiten sichtbar werden, etwa indem mit Abschiebes­topps gezeigt wird, dass eine andere Politik immer noch und vor allem real möglich ist.

Die schon oft strapazier­te Idee eines gesellscha­ftlichen Mitte-untenBündn­isses, in dem über den Tellerrand individuel­ler Interessen hinaus das gemeinsame Bedürfnis nach sozialer, demokratis­cher und ökologisch­er Politik wirksam werden kann – getragen von der Erkenntnis, das persönlich­e Emanzipati­on nur denkbar ist, wenn sie nicht auf Kosten anderer geschieht –, bekommt eine neue Bewährungs­probe. Es wird auch eine für die Linksparte­i sein.

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Tom Strohschne­ider

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