Griechenlands Wahl
Financial Times, Großbritannien Schuldenerlass wäre logisch
In der gegenwärtigen Situation wäre ein Schuldenerlass nur logisch. Dem steht jedoch eine moralistische Sichtweise entgegen: Gläubiger gelten als tugendhaft, Schuldner dagegen als verschwenderische Sünder. Ebenfalls im Weg steht eine selektive historische Erinnerung der Deutschen. Nach dem Krieg wurden die deutschen Auslandsschulden zum Großteil abgeschrieben oder gestundet. Das westdeutsche Wirtschaftswunder konnte deshalb mit einer sauberen Bilanz beginnen, während die Alliierten hoch verschuldet blieben. Doch dieser umfangreiche Schuldenerlass ist aus dem politischen Bewusstsein verschwunden. Heute führt die moralistische deutsche Sicht auf die Schuldenfrage letztlich dazu, dass der Extremismus in Europa erstarkt – mit gravierenden politischen Konsequenzen.
Le Monde, Frankreich Verträge und ihre Anwendung
Wie kann man den verständlichen Überdruss der griechischen Wähler abbauen? Sie sind erschöpft von den Opfern, die man ihnen seit vier Jahren abverlangt. Gleichzeitig müssen die Reformen weitergeführt werden, um die wirtschaftliche Lage ihres Landes dauerhaft auf gesunde Grundlagen zu stellen. Einige Antworten müssen die griechischen Regierungsmitglieder liefern, andere die europäischen Partner Griechenlands und die Verantwortlichen der EU in Brüssel. Rechtlich gesehen müssen Verträge eingehalten werden. Aber in der Politik muss manchmal ihre Anwendung erleichtert werden. Von der Stabilität Griechenlands hängt auch die Stabilität Europas ab.
SME, Slowakei Wesen der Demokratie
Zwar ist eine SYRIZA-Regierung wahrlich nicht die beste Aussicht für die griechische Zukunft. Es ist nicht auszuschließen, dass sie die EU erneut aufrüttelt. Dennoch: Auch wenn die Finanzmärkte und Brüssel besorgt sind – man sollte nicht vergessen, dass es sich in Griechenland lediglich um ganz normale, demokratische Wahlen handelt. Die Griechen können darin zum Ausdruck bringen, was sie von der Politik der vergangenen Jahre halten. Dass sie davon nicht begeistert waren und dies nun auch zeigen werden, gehört zum Wesen der Demokratie.
Neue Zürcher Zeitung, Schweiz Nicht alles rückgängig machen
Dass die Griechen genug haben vom Sparen und von den harten Auflagen der Troika aus der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds, ist verständlich. Wer in gesicherten und geordneten Verhältnissen in reicheren Ländern Westeuropas lebt, kann sich kaum vorstellen, was es bedeutet, wenn sein Einkommen innerhalb von wenigen Jahren um einen Drittel schrumpft. Doch auch wenn Tsipras der nächste Regierungschef Griechenlands sein sollte, so heißt das noch lange nicht, das alles, was in den letzten Jahren erreicht wurde, rückgängig gemacht wird.
El País, Spanien Schuld nicht allein in Athen
Die griechischen Bürger werden souverän über ihre Zukunft entscheiden. Aber da die nationale Souveränität heutzutage nur noch relativ ist, sollten die Griechen bei ihrer Wahl auch die Meinung im Rest Europas berücksichtigen. Die Verantwortung liegt nicht allein bei einer Seite, sie verteilt sich auf Schuldner und Gläubiger, auf Norden und Süden, die Zentren und die Peripherie sowie auf Reiche und Arme. Die Schuld liegt nicht allein bei Berlin, aber auch nicht bei Athen.
De Volkskrant, Niederlande Befreiung aus der Diät
Griechenland mag wirtschaftlich den richtigen Weg eingeschlagen haben, doch der durchschnittliche Grieche spürt davon noch nichts. Zwei Drittel der Arbeitslosen sind langfristig - mehr als ein Jahr – ohne Job und bei denjenigen, die Arbeit haben, ist das Einkommen in den letzten fünf Jahren um ein Viertel gesunken. Es ist daher nicht unverständlich, dass die Unterstützung für die politische Mitte abbröckelt. Viele Menschen sympathisieren mit Parteien, die das Land von der durch die EU vorgeschriebenen wirtschaftlichen Diät befreien wollen – selbst wenn die längerfristigen Folgen davon ungewiss sind.