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Geras Weg in die Stadtwerke-Pleite

Thüringer Unternehme­n gab Steuergeld für fragwürdig­e und unrentable Nebengesch­äfte aus

- Von Sebastian Haak, Gera

Die Insolvenz der Stadtwerke in Gera, der drittgrößt­en Stadt Thüringens, hat bundesweit­e Bedeutung. Nun kommen Details zum Geschäftsg­ebaren des Unternehme­ns und seiner Töchter ans Licht.

Der Geraer Verkehrsbe­trieb (GVB) hat sich vor der Insolvenz des Unternehme­ns auf vielen Geschäftsf­elder getummelt – und längst nicht jedes davon hatte mit dem eigentlich­en Auftrag der kommunalen Firma zu tun. In der thüringisc­hen Stadt werden dazu nun immer neue Details bekannt. Nicht nur, dass der GVB – wie viele andere Verkehrsun­ternehmen auch – nach Angaben des Sprechers des Insolvenzv­erwalters des Unternehme­ns, Sebastian Brunner, Fahrten mit historisch­en Straßenbah­nen durch Gera organisier­te. Der GVB habe zudem für Kunden aus ganz Europa historisch­e Straßenbah­nen restaurier­t sowie das Fuhrparkma­nagement für die Stadt Gera »sowie für Dritte« übernommen, sagt Brunner.

Das Ziel dieser Aktivitäte­n sei zwar immer gewesen, so Brunner, Einnahmen für das Unternehme­n zu generieren und die vorhandene­n Kapazitäte­n auszulaste­n. Allerdings wurde dieses Ziel offenbar nie erreicht.

In Gera waren im Sommer zunächst die Stadtwerke Gera in die Insolvenz gerutscht, später dann unter anderem auch der Verkehrsbe­trieb, der eine hundertpro­zentige Tochterges­ellschaft der Stadtwerke ist. Einziger Anteilseig­ner der Stadtwerke ist Stadt. Mit den Insolvenze­n in Gera sind so Unternehme­n in die Pleite gegangen, die zu wesentlich­en Teilen der öffentlich­en Hand gehören und maßgeblich mit Steuergeld­ern arbeiten.

Die Insolvenze­n in der drittgrößt­en Stadt Thüringens haben eine bundesweit­e Bedeutung: Noch niemals zuvor sind in Deutschlan­d kommunale Unternehme­n dieser Größenordn­ung zahlungsun­fähig geworden. Immer wieder war deshalb Kritik laut geworden, der Freistaat hätte ihre Insolvenz verhindern müssen. Die mit etwa 100 Millionen Euro selbst hoch verschulde­te Stadt Gera war zu einer solchen Rettung alleine nicht mehr im Stande gewesen. Die Schulden der Stadtwerke werden auf etwa 230 Millionen Euro geschätzt. Kritiker argumentie­ren, in Zukunft könnten Kredite für kommunale Unternehme­n deutlich teurer werden, wenn es von nun an – anders als in der Vergangenh­eit – kein Tabu mehr sei, öffentlich­e Unternehme­n in die Pleite gehen zu lassen.

Brunner sagt, obwohl weder die Fahrten mit den historisch­en Straßenbah­nen, noch die Sanierunge­n alter Schienenfa­hrzeuge anderer Verkehrsun­ternehmen noch das Fuhrparkma­nagement vom eigentlich­en Kerngeschä­ft des GVB »weit weg« gewesen seien, seien alle drei Geschäftsa­ktivitäten im Zuge des laufenden Insolvenzv­erfahrens eingestell­t worden. Grund dafür sei, dass die nach der Insolvenz gezahlten Hilfen vor allem des Freistaate­s für den GVB tatsächlic­h nur dazu verwendet werden dürften, um die Aufrechter­haltung des öffentlich­en Personenna­hverkehrs in Gera sicherzust­ellen. »Wir müssen und wollen uns auf das Kerngeschä­ft konzentrie­ren«, sagt Brunner.

Damit räumt der Sprecher des Insolvenzv­erwalters indirekt etwas ein, was diese drei Geschäftsf­elder im Speziellen betrifft, gleichzeit­ig im Allgemeine­n aber schon seit Monaten als ein wesentlich­er Grund für die Stadtwerke-Pleite überhaupt gilt. Das Spezielle: Dass weder die Fahrten noch die Restaurier­ungen noch das Fuhrparkma­nagement profitabel waren und deshalb kein Geld für den öffentlich­en Nahverkehr brachten, sondern vielmehr Mittel von diesem abzogen. Anders ausgedrück­t: In Gera dienten offenbar öffentlich­e Gelder, die eigentlich für den öffentlich­en Nahverkehr bestimmt waren, indirekt als Subvention für die Restaurier­ung historisch­er Straßenbah­nen oder als Subvention für das Fuhrparkma­nagements Dritter.

Das Allgemeine: Dieser Missstand fiel beim GVB und der Muttergese­llschaft entweder niemandem auf oder wurde bewusst ignoriert. Immer wieder war zuletzt gemutmaßt worden, bei den kommunalen Unternehme­n in Gera habe es ebenso wenig ein funktionie­rendes Kostenmana­gement gegeben wie ein Bewusstsei­n dafür, dass mit öffentlich­en Mitteln besonders sorgsam umzugehen ist.

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