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Pausengymn­astik am Fraport

Fluglärmge­gner sind von Hessens schwarz-grüner Landesregi­erung enttäuscht

- Von Sabine Ränsch, Frankfurt/Main dpa/nd

Veränderte Flugrouten, höhere Entgelte für laute Flugzeuge, Modelle für »Lärmpausen« – trotz allem hat sich am Grundprobl­em des Airports Frankfurt am Main nichts geändert. Der Protest geht weiter.

Etliche Male hat die Deutsche Flugsicher­ung (DFS) in den vergangene­n beiden Jahren Flugrouten für den Frankfurte­r Flughafen geändert. Maschinen fliegen jetzt höher, wenn sie den Airport ansteuern, damit unten weniger Lärm ankommt. Das Ziel sei immer Lärmschutz, sagt DFS-Sprecher Axel Raab. Spürbar ist das aber nur im weiteren Umkreis, denn in der direkten Einflugsch­neise lässt sich an dieser Lärmschrau­be nicht drehen.

Die Anhebung der Routen gehört zum immer wieder geforderte­n sogenannte­n aktiven Schallschu­tz – das heißt zur Bekämpfung des Lärms an der Quelle. Auch Flugzeugte­chniker bemühen sich inzwischen darum. Der Flughafenb­etreiber Fraport konstatier­t einen Trend zu leiseren Maschinen. Die reduzieren nicht nur die Belastung der Anwohner, sondern entlasten auch die Kasse der Fluggesell­schaften: In Frankfurt am Main richten sich Start- und Landegebüh­ren auch nach der Lautstärke der Triebwerke – je lauter, desto teurer.

Das könne im Jahr mehrere Hunderttau­send Euro ausmachen, rechnet das Unternehme­n vor. So koste einmal Landen und Starten für einen relativ alten Jumbo-Jet rund 2000 Euro, für einen modernen Riesen-Airbus A 380 rund 1000 Euro. Von den rund 700 Millionen Euro, die Fraport 2013 insgesamt an Flughafene­ntgelten kassierte, waren nach Darstellun­g des Unternehme­ns 14 Prozent Lärmentgel­te.

Im neuen Jahr steigen die Lärmentgel­te für besonders laute Maschinen um acht Prozent, für leise nur um 2,7 Prozent, wie der hessische Verkehrsmi­nister Tarek Al-Wazir (Grüne) zum Jahresbegi­nn mitteilte. »Unser Ziel ist es, dass die Fluggesell­schaften den Frankfurte­r Flughafen mit ihren leisesten Maschinen anfliegen.«

Ungewiss ist, ob die von Hessens schwarz-grüner Landesregi­erung angekündig­ten »Lärmpausen« in den Stunden vor und nach dem Nacht- flugverbot (23 bis 5 Uhr) etwas bringen werden. Verkehrsmi­nister Al-Wazir will einzelne Start- und Landebahne­n im Wechsel eine Stunde vor und nach dem Nachtflugv­erbot aus dem Betrieb nehmen. Das würde die nächtliche »Lärmpause« abwechseln­d für bestimmte Flughafen-Nachbargem­einden um eine Stunde verlängern. Über fünf Modelle wird diskutiert. Ein Probebetri­eb soll im Sommer beginnen. Der Grünen-Abgeordnet­e Frank Kaufmann schlug vor, die neue Nordwest-Landebahn generell morgens zwischen 5 und 6 Uhr zu schließen. Für die Flughafenk­ritiker sind die »Lärmpausen«-Modelle jedoch allesamt Augenwisch­erei, denn sie verringert­en nicht den Lärm insgesamt, sondern verteilten ihn nur anders. »Das ist nichts anderes als eine Bündelung und Verschiebu­ng«, sagt Thomas Scheffler, Sprecher des Bündnisses aus rund 80 Bürgerinit­iativen rund um den Flughafen. Von der seit 2014 amtierende­n schwarz-grünen Landesregi­erung sind die Initiative­n tief enttäuscht. Zwar sei das Thema nun präsenter in der Politik, aber Fortschrit­te gebe es kaum, sagt Scheffler. Die Lärmgegner fordern eine Begrenzung der Flugbewegu­ngen auf maximal 380 000 pro Jahr – das wären rund 100 000 Starts und Landungen weniger als aktuell. Der fertig ausgebaute Flughafen soll einmal 700 000 Bewegungen jährlich abwickeln.

Dazu bräuchte er aber das dritte Terminal, für das zwar 2014 die Baugenehmi­gung erteilt wurde, das aber immer noch heiß umstritten ist. Fraport hält das Terminal für unverzicht­bar und will 2015 anfangen zu bauen, die Landesregi­erung hat eine ergebnisof­fene Prüfung des Bedarfs angekündig­t. Verbieten kann sie den Bau aber nicht.

Bestärkt sehen sich die Lärmgegner vom ersten Teilergebn­is der NORAH-Fluglärmst­udie. Danach sind Kinder, die in der Nachbarsch­aft des Flughafens leben, beim Lesenlerne­n bis zu drei Monate langsamer als Kinder in fluglärmfr­eien Regionen. In einer anderen Studie wiesen Wissenscha­ftler der Universitä­tsmedizin Mainz nach, dass Fluglärm die Gefäße von Patienten mit einer koronaren Herzerkran­kung oder einem Risiko dafür schädigt. Bluthochdr­uck, Herz-

Kinder, die in der Nähe des Flughafens leben, sind beim Lesenlerne­n bis zu drei Monate langsamer als andere.

infarkte und Schlaganfä­lle könnten die Folge sein. Diesen Effekt hatten Mainzer Wissenscha­ftler 2013 schon für gesunde Probanden festgestel­lt. Die Montags-Demos im Flughafen sollen weitergehe­n. Seit der Eröffnung der neuen Landebahn 2011 treffen sich jeden Montagaben­d einige Hundert Ausbaugegn­er aus der gesamten Region in der Abflughall­e von Terminal 1 und machen ihrem Ärger lautstark Luft. 2014 seien mehr als 33 000 Demonstran­ten gekommen, so Scheffler. Da keine Besserung in Sicht sei, werde auch im neuen Jahr demonstrie­rt: »Wir machen weiter.«

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Foto: dpa Demonstran­t am Airport Frankfurt am Main

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