Ein Berg aus 22 900 Akten
Viele Kläger vor Thüringer Sozialgerichten müssen sehr lange auf ein Urteil warten
Wer vor die Sozialgerichte in Thüringen zieht, braucht einen langen Atem. Doch die Geduld lohnt sich, denn die Erfolgsaussichten für die Kläger stehen oftmals gut.
Erfurt. Obwohl die Klagewelle vor den Thüringer Sozialgerichten merklich abgeebbt ist, ziehen sich die Verfahren nach wie vor in die Länge. Die Eingänge an den vier Sozialgerichten in Altenburg, Gotha, Meiningen und Nordhausen seien inzwischen zwar auf ein handhabbares Maß zurückgegangen, sagte der Präsident des Landessozialgerichts in Erfurt, Martin Stoll, der dpa. »Es bleibt aber weiterhin eine große Aufgabe, alle aufgelaufenen Bestände abzuarbeiten.« Der Aktenberg von derzeit mehr als 22 900 unerledigten Verfahren in der ersten und zweiten Instanz würde ausreichen, um den gesamten Betrieb für weit über ein Jahr zu beschäftigen.
Bei den Sozialgerichten werden laut Stoll Anfang 2015 mehr als 900 Verfahren länger als drei Jahre anhängig sein. Das Landessozialgericht nehme etwa 80 derartige AltFälle mit in das neue Jahr. »Die lange Verfahrensdauer drückt mich sehr«, sagte Stoll. 2013 mussten Kläger vor den Sozialgerichten im Schnitt 17 Monate auf ein Urteil warten. Das liegt über dem Bundesdurchschnitt von 14,4 Monaten. Für 2014 rechnet Stoll mit einer noch längeren Bearbeitungszeit, da vermehrt ältere Fälle abgearbeitet worden seien. »Wer jahrelang auf die Gewährung einer existenzsichernden Rente warten muss, wird schon an der Verfahrensdauer verzweifeln.«
Die Berufungsverfahren beim Landessozialgericht dauerten durchschnittlich 23,3 Monate. Fast jedes zweite Verfahren zog sich dort länger als zwei Jahre. Im Vergleich mit anderen Bundesländern belegt das Landessozialgericht nach Angaben seines Präsidenten damit einen hinteren Platz. Etwa ein Drittel aller Verfahren vor dem Landessozialgericht drehen sich um Ansprüche aus der gesetzlichen Rente, rund 32 Prozent betreffen Hartz IV-Klagen.
Vor den Sozialgerichten wird in mehr als der Hälfte der Verfahren um die Grundsicherung für Arbeitsuchende gestritten. Für viele Kläger lohnt sich der Gang vor Gericht. Die Erfolgsquote bei Klagen gegen Hartz IV-Behördenbescheide liegt laut Stoll bei 43 Prozent. »Die Entscheidungen sind für den Einzelnen von enormer Bedeutung, weil es um die Existenz geht«, betonte er.
Im Zuge der Hartz IV-Gesetzgebung vor zehn Jahren, mit der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt worden waren, stiegen die Klagen sprunghaft an. Verzeichneten die Thüringer Sozialgerichte 2005 noch knapp 12 000 neu eingegangene Verfahren, so waren es 2010 bereits mehr als 27 000. Seither sinken die Zahlen aber wieder. 2014 erreichten die mehr als 60 Richter an den vier Gerichten rund 15 000 neue Verfahren.