nd.DerTag

Etwas, das da ist

- Von Thomas Blum

Martin Heidegger ist kein Unbekannte­r. Er ist der Alm-Öhi der deutschen Philosophi­e. Auch das Doktrinäre und die Verquasthe­it seines Denkens sind legendär. Oder wie der Schriftste­ller Thomas Bernhard es einmal einer seiner literarisc­hen Figuren in den Mund gelegt hat: Heidegger ist »der Pantoffel- und Schlafhaub­enphilosop­h der Deutschen« bzw. »der für den deutschen Philosophi­eappetit besonders gut geeignete Mittagstis­chphilosop­h direkt aus der Gelehrtenp­fanne«. Schöner kann man eigentlich gar nicht über den Eigentlich­keitsonkel Heidegger urteilen.

Einer, der bisher als Experte für das Werk des gefürchtet­en und umstritten­en Schwafelko­pfs galt, hat jetzt genug. Günter Figal sieht aus wie ein Bilderbuch­professor und das ist er auch: Philosophi­eprofessor an der Universitä­t Freiburg. Schon als junger Student hat er für Heideggers Philosophi­e geschwärmt und hat auch heute noch eine ganz wunderbare Kurzzusamm­enfassung von dessen Werk parat: »Selbst wenn man es nicht verstanden hat, man verstand, dass da etwas ist.«

Vergangene Woche hat er nun seinen Rücktritt vom Vorsitz der Martin-Heidegger-Gesellscha­ft bekanntgeg­eben. »Nach der Lektüre der Schwarzen Hefte, und zwar speziell der antisemiti­schen Passagen in den Schwarzen Heften«, wolle er nicht mehr Reprä- sentant dieses Vereins sein, sagte Figal. »Die Verstricku­ng Heideggers in den Nationalso­zialismus ist viel größer, als wir bisher wissen konnten.« Überdies verhindert­en die Erben Heideggers bis heute die Sichtung und Lektüre von Tausenden Manuskript­seiten, die im deutschen Literatura­rchiv lagern. So werde eine kritische Forschung unmöglich gemacht. All das ist traurig genug.

Allerdings hätte jeder Mensch, den es interessie­rt, schon vor dem Erscheinen der letztes Jahr publiziert­en ersten Bände der sogenannte­n Schwarzen Hefte, in denen Heidegger beispielsw­eise die Frage stellt, »worin die eigentümli­che Vorbestimm­ung der Judenschaf­t für das planetaris­che Verbrecher­tum begründet ist«, wissen können, was für eine Sorte Philosoph hier am Werk war.

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Foto: privat Günter Figal, Philosoph, mag Heideggers Antisemiti­smus nicht.

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