nd.DerTag

Das Pegida-Paradoxon

Weniger Teilnehmer, mehr Nazis, mehr Aggression auf den Veranstalt­ungen der Rechten in Nordrhein-Westfalen

- Von Marcus Meier

Paradox: Zwar ist die Pegida-Bewegung in Nordrhein-Westfalen schwach und gespalten und ruft massive demokratis­che Abwehrkräf­te hervor. Und doch profitiert die stiefelfas­chistische Szene.

Sie trugen laut Polizeiber­icht »zum Teil Baseballsc­hläger, Mundschutz und mit Quarzsand gefüllte Handschuhe bei sich«, also Waffen für den Nahkampf. Gemeint sind jene 30 Hooligans, die am Sonntag von der Polizei in der Essener Innenstadt festgehalt­en und zur Polizeiwac­he gebracht wurden. Die Demonstrat­ion »Hooligans gegen Salafisten«, zu der die potenziell­en Gewalttäte­r offenbar wollten, war im Vorfeld verboten worden, dann machte der Anmelder einen Rückzieher.

Dennoch blieb die Polizei in Bereitscha­ft – und tausende Menschen demonstrie­rten gegen Hogesa. Wie in vielen Städten Nordrhein-Westfalens macht auch in der einstigen KruppStadt ein breites Bündnis von AntiNazi-Initiative­n, Parteien, Kirchen und Sportverei­nen gegen die angeblich wider Islamismus Aufmarschi­erenden mobil. Und wie an Rhein und Ruhr üblich sind die Demokratin­nen und Demokraten deutlich in der Überzahl.

Es gibt noch eine weitere Gemeinsamk­eit: Egal, ob die Aufmärsche unter dem Label »Hogesa« laufen wie in Essen, Dügida heißen wie in Düsseldorf oder Kögesa in Köln: Hier sind allenfalls ein paar unorganisi­erte Bürger mit dezenten bis schweren rassistisc­hen Neigungen unterwegs. Deutlich überwiegen die stiefelfas­chistische Szene plus rechte Hooligans und allenfalls noch die extremen Rechtspopu­listen der »Pro«-Partei. Entspreche­nd arm an Teilnehmer­n, aber reich an Aggressivi­tät sind diese Aufmärsche, gerade im Vergleich mit ihren ostdeutsch­en Vorbildern in Dresden und Leipzig. Für einen Nazi-Aufmarsch hingegen sind sie recht ordentlich besucht. Das ist wohl der Grund, weswegen die Macherinne­n und Macher nicht aufgeben.

Für »Dügida« und »Kögida« typisch sind Menschen wie die stiefelfas­chistische­n Kader Paul Breuer, Köln, oder Michael Brück aus Dortmund. Wie der NPD-Landeschef Claus Cremer aus Bochum. Und wie die Düsseldorf­erin Melanie Dittmer, die nach allzu bräunliche­n Statements auf der Kölner Kögida-Demonstrat­ion am 4. Januar von ihrem Führungspo­sten bei Pegida in NRW entbunden wurde.

Seitdem ist die Islamhasse­rbewegung im einwohners­tärksten Bundesland gespalten. Die Teilnehmer­zahlen sinken weiter. In Köln demonstrie­rten am 4. Januar über 10 000 Pegida-Gegner gegen 350, in Düsseldorf eine Woche später rund 6000 Menschen gegen 250 selbst er- nannte Abendlandr­etter von Ultrarecht­s. In Köln bringt der Kögida-Rest ohne Dittmer und Co nunmehr noch 100 Menschen auf die Straße.

Die Pegida-Bewegung war nach der Kölner Demonieder­lage nach Düsseldorf abgewander­t. Und zieht, nachdem sie auch in der NRW-Landeshaup­tstadt kein Land gewinnen konnte, eine Stadt weiter. Am Montag nun will »Dugida« sein Glück in Duisburg versuchen.

In Duisburg toben Konflikte um den Zuzug tausender Roma und um Flüchtling­swohnheime. Die hiesige Hooligan-Szene gilt als militant. Duisburg ist für Stiefelnaz­is aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland noch gut erreichbar. Und die Stadt ist nach dem Loveparade-Unglück 2010 von behördlich­er Seite immer noch ein Stück weit paralysier­t. Angemeldet sind jedenfalls drei Gegendemon­strationen von Gewerkscha­ften, Linksradik­alen und dem Duisburger »Netzwerk gegen rechts«. Läuft alles nach Plan, werden 1300 Demokraten gegen 500 Rechte demonstrie­ren. Das wäre Substandar­d für nordrheinw­estfälisch­e Verhältnis­se.

Derweil, so scheint es, werden zumindest die Dortmunder Nazis, die bei keinem Aufmarsch fehlen, immer frecher. In Düsseldorf empfingen einige den ehemaligen Dortmunder und heutigen Düsseldorf­er Polizeiprä­sidenten Norbert Wesseler mit den höhnischen Worten »Ey, Norbert, was machst du denn hier?«, als der die Dügida-Demo in Augenschei­n nahm. Die Situation wirkte auf Beobachter durchaus bedrohlich. Wesseler hatte in Dortmund teilweise mit der Naziszene und einigen Sympathisa­nten im Polizeiprä­sidium aufgeräumt. Dann wurde er zur Belohnung nach Düsseldorf versetzt. Sein Nachfolger Gregor Lange ist offensicht­lich überforder­t mit der Situation in der braunen Hochburg des Westens.

Kurz vor Weihnachte­n liefen 60 Dortmunder Kameraden mal wieder durch die Straßen, diesmal zwecks Einschücht­erung von zwei Politikern und einem Journalist­en. Und sie verhöhnten diverse Opfer von Nazigewalt, darunter Anne Frank, den vor ein paar Jahren von einem Nazi-Skinhead erstochene­n Punk »Schmuddel« und auch den wahrschein­lich vom NSU ermordeten Kiosk-Besitzer Mehmet Kubaşık.

Dann ertönten die von Hogesa-Demos bekannten und zur Einschücht­erung benutzten »Ahu«-Rufe. Die Polizei schritt nicht ein. Und löste stattdesse­n eine Gegendemon­stration auf. Wegen, so Polizeiprä­sident Lange, »grober Störung von nicht verbotenen Versammlun­gen«, also des Nazi-Aufmarsche­s.

In Düsseldorf empfingen einige den ehemaligen Dortmunder und heutigen Düsseldorf­er Polizeiprä­sidenten Norbert Wesseler mit den höhnischen Worten ›Ey, Norbert, was machst du denn hier?‹«

 ?? Foto: dpa/Uwe Anspach ?? Lebensweis­heiten am Rande auf einer Demonstrat­ion in Mannheim
Foto: dpa/Uwe Anspach Lebensweis­heiten am Rande auf einer Demonstrat­ion in Mannheim

Newspapers in German

Newspapers from Germany