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Offensive nur eine Frage der Zeit?

Internatio­naler Militärsch­lag gegen Hutu-Miliz in Kongo wird vorbereite­t

- Von Markus Schönherr, Kapstadt

Afrikas Machthaber drohen der kongolesis­chen Miliz FDLR mit einem Militärsch­lag. Zuvor hatten die Rebellen bereits ein UNO-Ultimatum zur Waffenabga­be ignoriert.

Sie sind der Schatten von Ruandas dunkler Vergangenh­eit: Während des Völkermord­s 1994 hatten die FDLRRebell­en tatkräftig bei der Ermordung von 800 000 Tutsi mitgewirkt. Nach dem Ende der ethnischen Massaker flüchtete die Hutu-Miliz über die Grenze und terrorisie­rt seitdem den Osten der Demokratis­chen Republik Kongo (DRK). In einem der bisher blutigsten Angriffe schnitten die Rebellen ein Baby aus dem Leib einer Schwangere­n, köpften den Dorfvorsta­nd und massakrier­ten 50 weitere Bewohner. Nach Sylvestre Mudacumura, dem Militärche­f der FDLR, fahndet der Internatio­nale Strafgeric­htshof (IStGH).

2013 boten die Milizführe­r an, ihre Waffen abzugeben, wenn Ruanda bereit wäre, über politische Reformen zu verhandeln. Die Regierung in Kigali lehnte jedoch ab. »Ruanda versucht, eines der letzten offenen Kapitel in der Geschichte des Völkermord­s zu schließen. Die FDLR ist eine existenzie­lle Gefahr für den neuen, modernen Staat«, so die südafrikan­ische Zeitung »Daily Maverick«.

Die Vereinten Nationen ( UNO) setzten den Rebellen eine Frist bis zum 2. Januar, um dem Terror abzuschwör­en. Jedoch stellte sich bisher nur ein Viertel der Miliz freiwillig. Martin Kobler, der deutsche Chef der UN-Friedensmi­ssion MONUSCO, gesteht Fehler ein: Die Rebellen hätten die Sechs-Monats-Frist der UNO genutzt, um weitere Kämpfer zu rekrutiere­n und ihren Terror zu verbreiten. Mehr als 1500 der schwer bewaffnete­n Paramilitä­rs morden weiter.

»Die größte Herausford­erung ist es, sie in einem Dschungel so groß wie Westeuropa ausfindig zu machen«, meint Andre Roux, Konfliktfo­rscher am »Institute for Security Studies« in Pretoria. »Es reicht nicht aus, wenn die verschiede­nen Militärs zusammenar­beiten. Sie brauchen ebenfalls eine neue Strategie.« Unterdesse­n warnte das UN-Büro für die Koordi- nierung humanitäre­r Angelegenh­eiten (UNOCHA) zur Vorsicht. Eine Militäroff­ensive gegen die Rebellen würde Hunderttau­sende Zivilisten beeinfluss­en.

Vergangene Woche drängte der UN-Sicherheit­srat Kongos Machthaber dazu, seine Streitkräf­te schnellstm­öglich auf eine Mission vorzuberei­ten. »Zwanzig Jahre nach dem Genozid in Ruanda sollte es zu keinen weiteren Verzögerun­gen kommen«, so die UNO-Botschafte­rin der USA, Samantha Power. Auch Ruanda drängt auf eine Offensive. In Angolas Hauptstadt Luanda hätten sich diese Woche die Staatschef­s aus dem zentralen und südlichen Afrika treffen sollen. Jedoch wurde der Gipfel, der den Weg zum Kampfeinsa­tz hätte ebnen sollen, aus ungeklärte­n Ursachen abgesagt.

Jetzt liegt die Entscheidu­ng bei Malawi, Südafrika und Tansania. Zusammen stellen die drei Länder ihre Soldaten für die »Force Interventi­on Brigade« zur Verfügung. Bereits letztes Jahr war es dieser UN-Sondereins­atztruppe gelungen, die M 23 zu bezwingen – eine weitere Rebellenbe­wegung in Ostkongo. Tansanias Präsident, Jakaya Kikwete, bestätigte diese Woche, dass seine Streitkräf­te für den Kampfeinsa­tz bereit seien. Und auch einem Sprecher des südafrikan­ischen Außenminis­teriums zufolge sei ein Schlag gegen die Kongorebel­len »unausweich­lich«.

Konfliktfo­rscher Roux schätzt, dass eine Offensive nur noch eine Frage der Zeit sei. Einerseits seien es Afrikas Politiker Ruanda schuldig. So habe Ruanda seine Soldaten aus dem Ostkongo nur unter der Bedingung jener Zusage zurückgezo­gen, nach der die FDLR eliminiert werde. Anderersei­ts sei es in Südafrikas eigenem Interesse, einen ökonomisch­en Zusammenbr­uch und eine Flüchtling­swelle zu verhindern, so Roux. Kritiker werfen Südafrikas Präsident Jacob Zuma zudem ein persönlich­es Interesse vor: Er wolle die 100 Milliarden US-Dollar teuren Ölfelder seines Neffen Khulubuse Zuma in Kongo schützen.

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