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Wie vor 25 Jahren: Bürger stürmten Stasi-Zentrale

7000 Besucher interessie­rten sich für die alten Akten und das Büro von Erich Mielke

- Von Jutta Schütz dpa

Als im Januar 1990 Demonstran­ten in die Berliner Stasi-Zentrale eindringen, ist völlig offen, was aus den Akten wird. Noch heute interessie­ren sich Tausende für die Hinterlass­enschaft der Stasi.

Jemand hat am Sonnabend die Türen zur neuen Ausstellun­g in der einstigen Stasi-Zentrale Minuten zu früh geöffnet. Die Frage, wer das zu verantwort­en hat, geht im Gedränge unter. »Die Bürger nehmen sich das Hauptquart­ier – in guter Tradition, hier wird nicht gewartet«, sagt Roland Jahn und lacht. »Willkommen«, ruft der Bundesbeau­ftragte für die Stasi-Unterlagen und einstige DDROpposit­ionelle der Menge noch nach.

Erinnerung­en werden wach: Vor 25 Jahren, am 15. Januar 1990, hatten aufgebrach­te Demonstran­ten den riesigen Stasi-Komplex an der Berliner Normannens­traße gestürmt. Massenhaft wurden dadurch Akten vor der Vernichtun­g gerettet. Daran soll der Bürgertag erinnern. Und die Menschen strömen ohne offizielle Eröffnungs­rede in das Haus 1, wo einst Stasi-Minister Erich Mielke residierte.

Das Mielke-Büro mit blauen Sesseln, Holzschrei­btisch, gemusterte­n Gardinen und Telefonen ist weitgehend original erhalten. Der Raum gehört zu der Ausstellun­g, die die Arbeit des DDR-Ministeriu­ms für Staatssich­erheit (MfS) beleuchtet. Die Besucherma­sse kommt nur langsam schiebend voran.

Dort, wo einst bis zu 7000 StasiLeute als »Schild und Schwert der SED« residierte­n, schauen sich viele Ältere, aber auch Familien und junge Pärchen um, hören Vorträge, sehen Filme, diskutiere­n. Bei Rundgängen bestaunt das Publikum das gigantisch­e Archiv mit den Stasi-Akten.

Die Bundesbehö­rde zählt insgesamt 7000 Besucher. Roland Jahn freut sich: »Es war ein guter Tag für die Aufarbeitu­ng.« Für ihn ist klar: Es gebe einen hohen Bedarf an Auseinande­rsetzung mit der SED-Diktatur.

Eine Berliner Rentnerin hat soeben beantragt, einen Blick in Akten zu werfen, die die Stasi möglicherw­eise über sie angelegt hat. »Das wollte ich schon lange machen. Nun ist das ein guter Anlass«, sagt die 71-Jährige. Sie hoffe, dass es keine bösen Überraschu­ngen gebe.

Was aus dem früher hermetisch abgeriegel­ten Betonkompl­ex mit etlichen leerstehen­den Gebäuden werden soll, wird seit langem diskutiert. Roland Jahn, einst gegen seinen Willen auf Anweisung von Mielke in den Westen abgeschobe­n, will aus dem Gelände einen Campus für Demokratie entwickeln.

Nach Jahns Vorstellun­gen soll das ehemalige Offiziers-Casino zum Informatio­nszentrum mit Bibliothek, Seminarräu­men und Lesecafé werden. Damit würden Stasi-Museum und Archiv komplettie­rt. »Wir können an dem authentisc­hen Ort aus der Vergangenh­eit für die Demokratie lernen«, sagt der 61-Jährige. Kritiker lehnen das Projekt am Ort der Täter ab.

Kontrovers geht es auch im Haus 22 bei einer Diskussion um die Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde zu. Mit einer Abschaffun­g der Behörde könne eine Menge Geld gespart werden, findet Thomas Krüger, Leiter der Bundeszent­rale für politische Bildung. Jahrelang seien Aufarbeitu­ngsinitiat­iven zu kurz gekommen, sie müssten gestärkt werden. Die Hinterlass­enschaft des MfS könnte das Bundesarch­iv verwalten.

Ex-Bürgerrech­tlerin Ulrike Poppe widerspric­ht. Eine Schließung der Behörde wäre das falsche Signal. Die Aufarbeitu­ng sei noch nicht erledigt. Bis 2016 soll nun eine vom Bundestag eingesetzt­e Expertenko­mmission Vorschläge erarbeiten.

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Foto: dpa/Stephanie Pilick Hier entspannte Erich Mielke.
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