Ramelow soll in Bestechungsaffäre aussagen
Nach mutmaßlich versuchter Manipulation bei der Wahl des Ministerpräsidenten tritt nun die Justiz auf den Plan
In Thüringen hatten Politik und Justiz einst intensiven Kontakt miteinander – wegen Untreuevorwürfen gegen Lieberknecht. In der Bestechungsaffäre wird diese Kommunikation wieder aufgenommen.
Mit den Vorwürfen in der Thüringer Bestechungsaffäre muss sich nun endgültig und hochoffiziell auch der Chef der Verwaltung des Freistaates auseinandersetzen: Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) hat nach Angaben der Thüringer Staatskanzlei inzwischen ein Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft des Landes erhalten, in dem die Strafverfolgungsbehörde ihm mitteilt, sie wolle von ihm als Zeuge wissen, was er über die mutmaßlichen Bestechungsversuche vor seiner Wahl zum Regierungschef im Dezember 2014 weiß. Nach Angaben der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag hat auch der Chef der Sozialdemokraten im Parlament, Matthias Hey, bereits ähnliche Post erhalten. Und dann ist da ja auch noch eine Anzeige des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Volker Emde, gegen eben diesen Matthias Hey und den Geschäftsführer der Landes-SPD, René Lindenberg. Mit der Bestechungsaffäre ruft die politische Auseinandersetzung in Thüringen einmal mehr die Justiz auf den Plan – oder wird von der Politik auf den Plan gerufen.
Die mutmaßlichen Bestechungsversuche waren vor etwa einer Woche bekannt geworden. Medien berichteten über zwei SPD-Mitglieder, die sagen, ihnen seien von CDU-Vertretern noch vor der Wahl Ramelows zum Regierungschef, Ministerämter in einer CDU-geführten Landesregierung angeboten worden, sollten sie Ramelow bei der Abstimmung im Landtag ihre Stimme verweigern – und damit Rot-Rot-Grün zum Scheitern bringen. Ramelow hatte in einem Interview mit der »Bild am Sonntag« unmittelbar nach seiner Wahl erklärt, ein Abgeordneter habe ihm gesagt, ihm sei ein Posten angeboten worden, sollte er den LINKEPolitiker nicht wählen. Ramelow hatte damals weder die Identität noch die Parteizugehörigkeit des Abgeordneten genannt.
Verschiedene Vertreter der Unions-Fraktion im Landtag hatten in den vergangenen Tagen indirekt immer wieder bestritten, es habe sich bei den mutmaßlichen Beeinflussungsversuchen um abgestimmte Aktionen gehandelt; sollte es sie überhaupt gegeben haben. »Bestechung ist kein politisches Mittel der CDU-Fraktion«, hatte ein Sprecher der Fraktion gesagt.
Die Anzeige eines Mannes aus Rheinland-Pfalz wegen des Ramelow-Interviews sowie die Medienberichte über die beiden SPD-Mitglieder hatten dann die Generalstaatsanwaltschaft auf den Plan gerufen – während der CDU-Mann Emde aus eigenem Antrieb heraus die Justiz eingeschaltet hatte. Mit seinem Strafantrag gegen die Sozialdemokraten Hey und Lindenberg richtet er sich nach eigenen Angaben gegen die Behauptung, dass es Bestechungsversuche durch »höhere« CDU-Politiker gegeben habe. Emde wirft Hey und Lindenberg wegen dieser Behauptung üble Nachrede vor. Dass diese Behauptung »geeignet ist, die CDUFraktion in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Die Absicht, dies zu erreichen, liegt auf der Hand«, heißt es nach Angaben der Union in dem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Erfurt. Hey und Lindenberg hatten nach Bekanntwerden der Vorwürfe der beiden SPD-Mitglieder erklärt, sie hätten von den Annäherungsversuchen von CDU-Leuten an ihre Parteifreunde gewusst. Die beiden SPD-Mitglieder selbst wollen bislang anonym bleiben – auch, weil sie um ihre persönliche und politische Reputation fürchten. Beide SPD-Mitglieder sagen, sie seien ebenso wü- tend wie ratlos darüber, dass ihnen diese Angebote überhaupt gemacht worden seien. Man müsse sich doch wirklich fragen, welches Bild diejenigen, die sie als Ziele für die Ansprachen ausgesucht hätten, von ihnen hätten.
In den Jahren 2013 und 2014 hatte es mehrere Ermittlungen der Thüringer Justiz im Zusammenhang mit der Landespolitik gegeben. Unter anderem hatte die Staatsanwaltschaft Erfurt gegen die damalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) ermittelt, weil diese ihren 37jährigen Regierungssprecher Peter Zimmermann in den einstweiligen Ruhestand geschickt hatte. Das hatte ihm beträchtliche Rentenzahlungen für den Rest seines Lebens gesichert. Der Vorwurf gegen Lieberknecht lautete: Untreue, weil Zimmermann nicht aus politischen Gründen gefeuert, sondern auf eigenes Betreiben seinen Job aufgegeben habe. Die Ermittlungen wurden schließlich eingestellt. Dieter Lauinger, der Grünen-Politiker, der Lieberknecht damals angezeigt hatte, ist heute Justizminister in Thüringen.
Die beiden SPD-Mitglieder wollen anonym bleiben – auch, weil sie um ihre persönliche und politische Reputation fürchten.