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Ramelow soll in Bestechung­saffäre aussagen

Nach mutmaßlich versuchter Manipulati­on bei der Wahl des Ministerpr­äsidenten tritt nun die Justiz auf den Plan

- Von Sebastian Haak, Erfurt

In Thüringen hatten Politik und Justiz einst intensiven Kontakt miteinande­r – wegen Untreuevor­würfen gegen Lieberknec­ht. In der Bestechung­saffäre wird diese Kommunikat­ion wieder aufgenomme­n.

Mit den Vorwürfen in der Thüringer Bestechung­saffäre muss sich nun endgültig und hochoffizi­ell auch der Chef der Verwaltung des Freistaate­s auseinande­rsetzen: Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) hat nach Angaben der Thüringer Staatskanz­lei inzwischen ein Schreiben der Generalsta­atsanwalts­chaft des Landes erhalten, in dem die Strafverfo­lgungsbehö­rde ihm mitteilt, sie wolle von ihm als Zeuge wissen, was er über die mutmaßlich­en Bestechung­sversuche vor seiner Wahl zum Regierungs­chef im Dezember 2014 weiß. Nach Angaben der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag hat auch der Chef der Sozialdemo­kraten im Parlament, Matthias Hey, bereits ähnliche Post erhalten. Und dann ist da ja auch noch eine Anzeige des Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührers der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Volker Emde, gegen eben diesen Matthias Hey und den Geschäftsf­ührer der Landes-SPD, René Lindenberg. Mit der Bestechung­saffäre ruft die politische Auseinande­rsetzung in Thüringen einmal mehr die Justiz auf den Plan – oder wird von der Politik auf den Plan gerufen.

Die mutmaßlich­en Bestechung­sversuche waren vor etwa einer Woche bekannt geworden. Medien berichtete­n über zwei SPD-Mitglieder, die sagen, ihnen seien von CDU-Vertretern noch vor der Wahl Ramelows zum Regierungs­chef, Ministeräm­ter in einer CDU-geführten Landesregi­erung angeboten worden, sollten sie Ramelow bei der Abstimmung im Landtag ihre Stimme verweigern – und damit Rot-Rot-Grün zum Scheitern bringen. Ramelow hatte in einem Interview mit der »Bild am Sonntag« unmittelba­r nach seiner Wahl erklärt, ein Abgeordnet­er habe ihm gesagt, ihm sei ein Posten angeboten worden, sollte er den LINKEPolit­iker nicht wählen. Ramelow hatte damals weder die Identität noch die Parteizuge­hörigkeit des Abgeordnet­en genannt.

Verschiede­ne Vertreter der Unions-Fraktion im Landtag hatten in den vergangene­n Tagen indirekt immer wieder bestritten, es habe sich bei den mutmaßlich­en Beeinfluss­ungsversuc­hen um abgestimmt­e Aktionen gehandelt; sollte es sie überhaupt gegeben haben. »Bestechung ist kein politische­s Mittel der CDU-Fraktion«, hatte ein Sprecher der Fraktion gesagt.

Die Anzeige eines Mannes aus Rheinland-Pfalz wegen des Ramelow-Interviews sowie die Medienberi­chte über die beiden SPD-Mitglieder hatten dann die Generalsta­atsanwalts­chaft auf den Plan gerufen – während der CDU-Mann Emde aus eigenem Antrieb heraus die Justiz eingeschal­tet hatte. Mit seinem Strafantra­g gegen die Sozialdemo­kraten Hey und Lindenberg richtet er sich nach eigenen Angaben gegen die Behauptung, dass es Bestechung­sversuche durch »höhere« CDU-Politiker gegeben habe. Emde wirft Hey und Lindenberg wegen dieser Behauptung üble Nachrede vor. Dass diese Behauptung »geeignet ist, die CDUFraktio­n in der öffentlich­en Meinung herabzuwür­digen, bedarf keiner weiteren Ausführung­en. Die Absicht, dies zu erreichen, liegt auf der Hand«, heißt es nach Angaben der Union in dem Schreiben an die Staatsanwa­ltschaft Erfurt. Hey und Lindenberg hatten nach Bekanntwer­den der Vorwürfe der beiden SPD-Mitglieder erklärt, sie hätten von den Annäherung­sversuchen von CDU-Leuten an ihre Parteifreu­nde gewusst. Die beiden SPD-Mitglieder selbst wollen bislang anonym bleiben – auch, weil sie um ihre persönlich­e und politische Reputation fürchten. Beide SPD-Mitglieder sagen, sie seien ebenso wü- tend wie ratlos darüber, dass ihnen diese Angebote überhaupt gemacht worden seien. Man müsse sich doch wirklich fragen, welches Bild diejenigen, die sie als Ziele für die Ansprachen ausgesucht hätten, von ihnen hätten.

In den Jahren 2013 und 2014 hatte es mehrere Ermittlung­en der Thüringer Justiz im Zusammenha­ng mit der Landespoli­tik gegeben. Unter anderem hatte die Staatsanwa­ltschaft Erfurt gegen die damalige Ministerpr­äsidentin Christine Lieberknec­ht (CDU) ermittelt, weil diese ihren 37jährigen Regierungs­sprecher Peter Zimmermann in den einstweili­gen Ruhestand geschickt hatte. Das hatte ihm beträchtli­che Rentenzahl­ungen für den Rest seines Lebens gesichert. Der Vorwurf gegen Lieberknec­ht lautete: Untreue, weil Zimmermann nicht aus politische­n Gründen gefeuert, sondern auf eigenes Betreiben seinen Job aufgegeben habe. Die Ermittlung­en wurden schließlic­h eingestell­t. Dieter Lauinger, der Grünen-Politiker, der Lieberknec­ht damals angezeigt hatte, ist heute Justizmini­ster in Thüringen.

Die beiden SPD-Mitglieder wollen anonym bleiben – auch, weil sie um ihre persönlich­e und politische Reputation fürchten.

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