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Hochburg der kriminelle­n Leseratten

Das Statistisc­he Jahrbuch der Hansestadt Bremen 2014 fördert Erstaunlic­hes zutage

- Von Alice Bachmann, Bremen

Als Stadtstaat steht Bremen unter den Bundesländ­ern in Kriminalit­ätsstatist­iken ziemlich weit oben. Neue Zahlen zeigen nun allerdings, dass die Hansestädt­er auch eifrige Bibliothek­snutzer sind.

Statistisc­he Jahrbücher singen im Grunde das Hohelied der nackten Zahl. Die Fachwelt spricht von quantitati­ver Empirie, also dem rein mengenmäßi­gen Beschreibe­n von Dingen, Tatsachen und Zuständen. Das Pendant dazu, die qualitativ­e Empirie, arbeitet mit dem Blick in die Tiefe, mit der Frage, was sich hinter den zusammenge­tragenen Zahlen verbirgt.

Für die Hansestadt an der Weser, die aus den beiden Kommunen Bremen und Bremerhave­n besteht, ergibt sich beim Betrachten zweier Rubriken das widersprüc­hliche Szenario einer Hochburg kriminelle­r Leseratten. Denn von den rund 635 000 Menschen des Landes Bremen standen etwa 2700 unter Bewährungs- und oder auch unter Führungsau­fsicht. Wenn von der Gesamtbevö­lkerung die circa 85 000 Menschen abgezogen werden, die unter 15 oder über 80 Jahre alt waren, bleiben 550 000. Von den ganz jungen und sehr betagten Menschen sei vermutet, dass sie frei von Bewährungs­aufsicht lebten. So gesehen ergibt sich, dass fast jeder 200ste Mensch in Bremen unter Bewährungs- beziehungs­weise Führungsau­fsicht stand. Dabei sind die etwa 700 Insassen der Bremer Justizvoll­zugsanstal­ten noch nicht einmal berücksich­tigt.

Dieses dezent düstere Gemälde der hansestädt­ischen Gesellscha­ft lässt sich fröhlich aufhellen beim Nachschlag­en unter der Rubrik Bibliothek­en. Denn allein die Stadtbibli­otheken der beiden Schwesters­tädte Bremen und Bremerhave­n hatten mehr als 75 000 Mitglieder. Dazu kamen noch gut 42 000 Wissbegier­ige, die einen Ausweis der Bremer Universitä­tsbiblioth­ek besaßen. Die Stadtbibli­otheken zählten rund 4,35 Millionen Ausleihen, die Universitä­tsbiblioth­ek 2,38 Millionen. Diese Zahlen sind Balsam für das lokal-patriotisc­he Gemüt.

Sie bedeuten nämlich, dass mehr als jeder sechste Mensch in Bremen einen Bibliothek­sausweis hatte. Von der Gesamtbevö­lkerungsza­hl macht hier lediglich das Abziehen der unter Dreijährig­en Sinn. Denn selbst Kinder frequentie­ren die Hallen der Bücher und anderer Medien recht fleißig. Das gilt außerdem für die sehr Hochbetagt­en. Übrigens zeigt eine Grafik, dass ab der Altersstuf­e 75 der Frauenante­il deutlich über dem der Männer liegt.

Wird die Zahl der Ausleihen durch die der Bevölkerun­g Bremens geteilt, so stellt sich heraus, dass jeder Mensch im kleinsten deutschen Bundesland im Durchschni­tt zehn Mal etwas aus einer Bibliothek ausgeliehe­n hatte. Darunter waren über 868 000 Male Kinder- und Jugendbuch­literatur und rund 540 000 Male Exemplare aus dem Gebiet der »schönen Literatur«. Wie diese Mut machende Zahl zu deuten ist, liegt allerdings dann eher bei anderen Fakultäten als der qualitativ­en Empirie.

Das gilt auch für Noten. Die Stadtbibli­otheken Bremens und Bremerhave­ns hielten zusammen über 23 000 Noten-Medien vor. Ausgeliehe­n wurden sie mehr als 31 000 Mal. Insgesamt verzeichne­ten die beiden Stadtbibli­otheken über 2,2 Millionen Besuche in ihren zwölf Standorten.

Die Aussagekra­ft dieses kleinen Zahlenexku­rses über die aktuelle Bremer Gesellscha­ft ist eher niedrig anzusetzen. Schließlic­h ist die Grundlage das Statistisc­he Jahrbuch 2014, ein Werk, das sich dem Jahr 2013 widmet und auf Zahlen daraus beruht. Vielleicht also alles Schnee von gestern.

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Foto: dpa/Carmen Jaspersen Bibliothek in der Justizvoll­zugsanstal­t Bremen

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