nd.DerTag

Freiwillig komisch

Freitags Woche

- Von Jan Freitag

Die bildgewalt­ig substanzar­me Postdemokr­atie ersetzt bekanntlic­h Politik zusehends durch Symbole im Sinne einer PR, die von uns Medien boshaft verbreitet werden. Und kaum eins verdeutlic­ht dieses Gefälle zwischen Oberfläche und Hintergrun­d besser als das bildgewalt­ig substanzar­me »Je suis Charlie«, das vieles aussagt und doch wenig, also viel gemeinsam hat mit der Restsymbol­ik dieser Tage: Merkels geschlosse­ne Augen an Hollandes Schulter. Ihre Kollegen aus aller Welt »an der Spitze« einer Demo, die sie zur Sicherheit flugs verließen. Dazu drei, fünf, viele Millionen Hefte der Jetzt-erst-recht-Ausgabe von »Charlie Hebdo«, übersetzt in 18 Sprachen, verkauft in 100 Ländern.

Weniger Symbolkraf­t haben da leider jene Opfer, die ähnliche Terroriste­n parallel in Nigeria abgeschlac­htet haben. Deshalb weiß auch Millionen Protestier­er, Solidaritä­tsadressen und ARD-Brennpunkt­e später niemand so recht, worüber sich die halbe Welt beim Kauf eines Witzblatts eigentlich empört: Islamisten? Ihre Gegner? Deren Gegner? Wie Pegida, die sich besonders laut über Islamisten und ihre Gegner empören, also die »Lügenpress­e«, die aber ja selber angegriffe­n wurde und somit ihrerseits Ursache und Wirkung des Protests in einem ist?

Es ist eben komplizier­ter, als es das »Unwort des Jahres« auf den Punkt bringt. Was wir Lügenrepor­ter drucken, senden, posten ist ja oft exakt jene Art Wahrheitsa­nnäherung, die Europas Patrioten gar nicht hören wollen. Von denen schaltet daher an diesem Montag wohl kaum wer ein, wenn die Doku »Flüchtling­e – Aufnehmen oder Abschieben?« um 23.30 Uhr im Ersten erhellt, wie es ums Reizthema Asyl wirklich steht. Ein- schalten, aber vorab verfluchen werden sie zwei Tage später (22.45 Uhr), wenn der gleiche Kanal »Putins Volk« zu Wort kommen lässt, also die Untertanen jenes Alphatiers, das Pegida für einen Superführe­r hält, was sie mit der AfD vereint, die bei »Machtkampf der Wutbürger« im Anschluss klug seziert wird.

Weit besser als mit derlei »Lügenberic­hten« versorgt die ARD ab Donnerstag wütende Dresdner daher mit dem Spin-of der Sachsenkli­nik, wo Roy Peter Link als Chefarzt nach »In aller Freundscha­ft« nach Erfurt geht, wo »Die jungen Ärzte« wie er zwar ohne Mord und Witze auskommen, auf dem Schmunzelk­rimiplatz um 18.50 Uhr aber unfreiwill­ig komisch werden. Unfreiwill­ig unkomisch wird es hingegen am Freitag, wenn in den Dritten die ersten Narren des nahenden Karnevals los sind. Freiwillig unkomisch hingegen geht es zu, wenn Heino Ferch am Montag wieder auf die »Spuren des Bösen« geht.

Sein Psychologe Brock ist auch im vierten Fall um den Mord an einem Galeristen tief involviert, wahrt aber eine sehenswert anziehende Distanz, die hierzuland­e noch immer etwas Besonderes darstellt. So wie der Kieler »Tatort«, diesmal ums GruselThem­a Chrystal Meth, das Christian Schwochow in düsterem Grau bebildert. Heiterer Farben bedient sich da der KiKa, wo ab Dienstag um 18 Uhr die deutsche Animations­serie »Ritter Rost« läuft, was Kinder unter zehn schier zum Ausrasten bringt.

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Foto: ZDF/Domenigg Raphael Benesch, Maria Kästlinger und Hannah Metzger auf den »Spuren des Bösen«.

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