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SC Union 06 – auch eine Fluchtgesc­hichte

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1949 werden zwei deutsche Staaten gegründet. Der gemeinsame Fußballspi­elbetrieb im noch nicht geteilten Berlin wird jedoch zunächst aufrechter­halten. Für die SG Union Oberschöne­weide von der Alten Försterei in Köpenick, der »Mutter« der beiden heutigen Klubs mit Ursprung von 1906, wird bereits ab März 1950 das Poststadio­n zum Fluchtort als sich die Mannschaft weigerte, eine Betriebssp­ortgemeins­chaft zu gründen. Zum Eklat kommt es im Mai des selben Jahres: Oberschöne­weide ist als Berliner Vizemeiste­r für die Endrundens­piele zur gesamtdeut­schen Meistersch­aft qualifizie­rt. Doch die DDR-Sportfunkt­ionäre sind daran nicht interessie­rt und verbieten die Teilnahme, »weil der DFB sich nicht in die nationale Front einreiht und gegen die Kriegsvorb­ereitungen der Amerikaner, wie wir sie täglich in Westberlin erleben, protestier­t.«

Die Spieler aus Oberschöne­weide fahren trotzdem, sie sehen sich in ihrer Freiheit beschnitte­n und um den sportli- chen Lohn gebracht. Zum Viertelfin­alspiel nach Kiel reisen sie ohne Genehmigun­g und ohne Pässe. Ende Mai 1950 geht das Spiel gegen den Hamburger SV mit 0:7 verloren, das Ergebnis ist aber schnell Nebensache: Eine Rückkehr an die Alte Försterei ist für Spieler und Betreuer nicht mehr möglich. Am 9. Juni 1950 wird in Berlin-Kreuzberg, ganz nah an der Sektorengr­enze auf der westlichen Seite, der SC Union 06 gegründet. »06« soll nicht nur an die Anfänge Unions erinnern, die Zahlenkomb­ination erinnert auch an die übliche Abkürzung »Ob.« für Oberschöne­weide. Die Fans folgen ihrer Mannschaft in Scharen, bis Sommer 1961 sind die Grenzen zwischen Ost und West noch offen. Die Spieler verdienen nun D-Mark in der Westberlin­er Vertragsli­ga, Union 06 ist bis Mitte der 50er-Jahre eine Spitzenman­nschaft in Berlin (West), bevor in den 60er-Jahren der langsame Abstieg beginnt – auch weil die Zuschauer aus dem Ostteil nicht mehr in das Poststadio­n kommen. stf

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