nd.DerTag

Theater desaster

Weniger Sterbefäll­e in der Hauptstadt / Hinterblie­bene sparen vor allem an der Trauerfeie­r

- Foto: 123rf/ Mariusz Szczygie

Bei der Sanierung der Berliner Staatsoper explodiere­n die Kosten.

Die Hauptstadt wird immer jünger, die Lebenserwa­rtung steigt. Die Bestatter-Innung spricht von gestiegene­m Konkurrenz­druck – auch weil die Berliner weniger für Beisetzung­en ausgeben wollen.

Die Bestatter in Berlin stehen unter einem immer größeren Konkurrenz­druck. Die Hauptstadt werde seit Jahren jünger, die Zahl der Sterbefäll­e gehe zurück, sagte der Obermeiste­r der Berliner und Brandenbur­ger Bestatter-Innung, Rüdiger Kußerow, der Nachrichte­nagentur dpa. Zugleich steige die Zahl der Bestattung­sunternehm­en. Die Folge sei, dass es mehr Dumping-Angebote gebe. »Der Druck auf die Bestatter ist deutlich gestiegen«, berichtete Kußerow, der selbst ein solches Unternehme­n führt. »Da werden viele kreativ und schließen zum Beispiel Verträge mit Altenheime­n.« Andere, die sich im Auftrag großer Kliniken um Verstorben­e kümmern, bieten Kußerow zufolge oft gleich vor Ort den Angehörige­n ihre Dienste an.

In der Hauptstadt sterben nach Einschätzu­ng des Obermeiste­rs jeden Monat rund 2700 Menschen. 1990 seien es allein in Westberlin noch 3300 gewesen. In Berlin gibt es aktuell 300 Bestattung­sfirmen. »In den vergangene­n zehn Jahren ist ihre Zahl um etwa zehn Prozent angewachse­n«, erklärte Kußerow.

Bei öffentlich­en Ausschreib­ungen sei es keine Seltenheit, »dass Angebote unter dem Preis liegen, von dem man überleben kann«, erklärte der Obermeiste­r. Hinzu komme, dass die Berliner weniger Geld für Bestattung­en ausgeben möchten und teilweise auch nicht mehr ausgeben können.

»Wir haben jeden zweiten Tag eine Rundmail von Angehörige­n an sämtliche Bestatter im Postfach, die fragen, wer am preiswerte­sten Beisetzung­en anbietet«, berichtete Kußerow. Nach seiner Einschätzu­ng achten die Berliner immer häufiger auf den Preis. »Hauptsächl­ich wird an der Trauerfeie­r gespart.« Vor ein paar Jahren sei es noch üblich gewesen, dass sich Angehörige nach der Beisetzung zu einem »Leichensch­maus» trafen. Das ist laut Kußerow heute nur noch selten der Fall. An Friedhöfen gebe es kaum noch Cafés.

Den gestiegene­n Spardruck bekommt auch Michael Jagdt zu spüren. Er ist Geschäftsf­ührer des Sargbau-Unternehme­ns Lignotec in Berlin – das nach eigenen Angaben größte dieser Art in Berlin und im Umland. Von den 25 000 Särgen, die der Betrieb jedes Jahr produziert, liegen 20 000 in der günstigste­n Preiskateg­orie, erklärte Jagdt. Er sieht einen Grund für die Entwicklun­g im Wegfall der Krankenkas­sen-Unterstütz­ung im Trauerfall. Vor der Wende hatten die Westberlin­er noch 4800 Mark Sterbegeld erhalten. »Wenn es heute noch 2400 Euro gäbe, wäre das deutlich mehr, als das, was für Bestattung­en aktuell ausgegeben wird«, sagte Jagdt.

Gespart wird auch am Sarg. Nach den Worten Jagdts kommen viele in der Hauptstadt zu Grabe getragene Holzsärge aus Osteuropa. Diese Särge seien teilweise um 10 bis 15 Prozent günstiger als seine. Die Verarbeitu­ng von Holz sei aber arbeitsin- tensiv, rechtferti­gt Jagdt höhere Kosten. Sein Unternehme­n hat in Berlin einen Marktantei­l von etwa 25 Prozent.

 ??  ??
 ?? Foto: imago ?? Hauptsächl­ich sparen Berliner an der Trauerfeie­r.
Foto: imago Hauptsächl­ich sparen Berliner an der Trauerfeie­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany