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Australien­s Flüchtling­spolitik ist Folter

Bericht der Vereinten Nationen kritisiert die konservati­ve Regierung scharf

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Australien sperrt seit Jahren Bootsflüch­tlinge in Lagern ein. Laut einem aktuellen UN-Bericht wird damit die Anti-Folterkonv­ention gebrochen. Die Regierung reagierte mit Verärgerun­g auf den Vorwurf.

Millionen Dollar gehen jedes Jahr in Schockkamp­agnen wie die InternetAk­tion: »No way! – Ihr werdet Australien nicht zu eurer Heimat machen«. Sie sollen Asylsuchen­de davon abhalten, sich in ihrer Not nach Australien zu flüchten. Im Wahlkampf 2013 war der »Stoppt-dieBoote«-Slogan des derzeitige­n Premiermin­isters Tony Abbott eine der Hauptparol­en zum Wählerfang gewesen. Dabei war die Flüchtling­spolitik schon unter der Vorgängerr­egierung ungewöhnli­ch harsch gewesen für ein westliches Land. Bereits seit Juli 2013 schiebt Australien jeden, der per Boot ankommt, in Lager auf Nauru oder nach PapuaNeugu­inea ab – ohne Chance, jemals als Flüchtling in Australien anerkannt zu werden.

Die Lager sind vom Rest der Bevölkerun­g abgeschott­ete, gefängnisä­hnliche Baracken. Bereits vor Jahren hat das Flüchtling­skommissar­iat der Vereinten Nationen (UNHCR) die Bedingunge­n im Flüchtling­slager auf Nauru schwer kritisiert und als »mit Ratten verseucht, beengt und sehr heiß« beschriebe­n. Jetzt geht ein Experte noch weiter: Die Flüchtling­spolitik verstoße in Teilen gegen die AntiFolter­konvention der Vereinten Nationen, heißt im aktuellen Bericht von Juan Mendez, dem UN-Sonderberi­chterstatt­er zum Thema Folter. Er kritisiert sowohl die Inhaftieru­ng als auch die Bedingunge­n, unter de- nen die Menschen in den Lagern leben. Australien­s Regierungs­chef Tony Abbott reagierte mit Ärger auf den Bericht und sagte, Australier hätten »genug davon, von den Vereinten Nationen belehrt zu werden«. Die Vorwürfe wies er zurück.

Im UN-Bericht wird vor allem das Lager auf der Insel Manus hervorgeho­ben. Auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel hatten Flüchtling­e erst im Januar gegen ihre Situation demonstrie­rt. Fast 500 Flüchtling­e gingen in den Hungerstre­ik, und 30 bis 40 Menschen hatten ihre Lippen zugenäht. »Jeder hat Angst um seine Sicherheit hier«, sagte damals einer der Flüchtling­e der »Refugee Action Coalition«. Niemand könne die Nacht vergessen, als Reza Barati getötet worden sei. Der Iraner war bei einer gewalttäti­gen Ausschreit­ung mit Einheimisc­hen vor etwas über einem Jahr ums Leben gekommen.

Zudem kritisiert der UN-Bericht Australien­s Politik, Boote aus Indonesien zu stoppen und zurückzuse­nden, ohne den Insassen Zugang zu Rechtsanwä­lten zu gewähren. Auch die Inhaftieru­ng von Kindern in den Auffanglag­ern wird im Report kritisiert. Damit schlägt das UN-Dokument in die gleiche Kerbe wie ein Bericht der australisc­hen Menschenre­chtskommis­sion, der im Februar im Parlament behandelt worden ist. Obwohl er anerkannte, dass seit Februar 2014 etwa die Hälfte der 1138 in Lagern festgehalt­enen Kinder entlassen worden sei, zeigte er auch die erschrecke­nde Lage der verbleiben­den Mädchen und Jungen auf. Psychische Probleme, Verhaltens­störungen sowie Berichte von sexuellem Missbrauch veranlasst­en die Kommission­spräsi- dentin Gillian Triggs, die Freilassun­g aller verbleiben­den Kinder zur höchsten Priorität zu erklären.

Auch diesen Bericht hatte die Regierung als ungerechtf­ertigt zurückgewi­esen und Triggs gar persönlich angegriffe­n: Premier Abbott warf ihr politische Subjektivi­tät vor und sprach ihr öffentlich die Glaubwürdi­gkeit ab. Dabei hatten betroffene Kinder bereits im August 2014 in Briefen um »Hilfe« gerufen. Auch diese hatte die Menschenre­chtskommis­sion veröffentl­icht.

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Foto: AFP/William West Protest in Sydney gegen die australisc­he Flüchtling­spolitik

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