»Genug ist genug«
Die deutschen Erdgasförderer wollen sich das umstrittene Fracking nicht verbieten lassen
Das Bundeskabinett wird sich Ende März mit einem Gesetzespaket zum Fracking beschäftigen. Der Industrie geht das zu weit. Sie warnt vor zu hohen Auflagen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gab sich im November entschlossen: Die »weltweit strengsten Regelungen im Bereich Fracking« wollte sie in Gesetzesform gießen. Das Fracking, eigentlich Hydraulic Fracturing, ist umstritten, weil hier ein Gemisch aus Wasser, Chemikalien und Sand in den Boden gepresst wird, um so das im Gestein gebundene Erdgas zu lösen. Auf diese Weise können auch »unkonventionelle Lagerstätten« in Kohleflözen oder Schiefergestein erschlossen werden. Das hier mit hineingepresste Wasser bricht das Gestein auf, durch die entstandenen Risse entweicht das Gas und gelangt so an die Oberfläche, wo es seine Reise in die Heizkessel der Republik antritt.
Umweltschützer befürchten, die dabei verwendeten Chemikalien könnten ins Grundwasser gelangen. Diesen Befürchtungen trägt das Bundesumweltministerium nun teilweise Rechnung. So soll Fracking oberhalb von 3000 Metern verboten werden. Zudem soll das Wasserhaushaltsgesetzes derart abgeändert werden, dass zukünftig die jeweiligen Wasserbehörden die Erlaubnis zum Fracking geben müssten. Am 25. März will das Bundeskabinett die Gesetzesänderungen beschließen.
Der Industrie schmeckt das gar nicht. »Genug ist genug«, meinte Gernot Kalkoffen, der Vorsitzende des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG) am Montag in Berlin. Der Lobbyist warnte, hier stünde nicht nur »die Wertschöpfung einer Industrie mit 20 000 Arbeitsplätzen auf dem Spiel«. Verantwortlich dafür seien unter ande- rem geplante Umweltprüfungen für das Fracking. Diese könnten bis zu einem Jahr dauern und seien zudem sehr teuer. »Umweltprüfungen müssen bedarfsgerecht und standortbezogen sein«. Die Förderer verweisen darauf, dass der erste »Erdgas-Frac« in Deutschland 1961 erfolgte. Seitdem soll das Verfahren bereits 400 mal zum Einsatz gekommen sein. Allerdings oftmals nur, um konventionelle Lagerstätten besser ausbeuten zu können.
Für Kalkoffen und seinen Verband, der Konzerne wie Exxon, DEA oder die BASF-Tocher Wintershall vertritt, geht es um die grundsätzliche Frage, »wie Deutschland seinen Erdgasbedarf zukünftig decken will«. Mit oder ohne Erdgas aus »eigenen Quellen«. Die konventionellen Lagerstätten seien in zehn Jahren er- schöpft, behauptet man beim WEG und beklagt gleichzeitig das bestehende Fracking-Moratorium für Gas aus Schiefergestein, auf das sich Union und SPD 2013 verständigt hatten.
Tatsächlich hat Fracking auch eine geostrategische Komponente. Etwa in den USA, wo die Technologie staatlicherseits massiv gefördert wird. Mit Erfolg: Mittlerweile ist man unabhängiger vom Import aus den krisenanfälligen Regionen am Persischen Golf. Im »Great Game« um Macht und Einfluss geht es den Geostrategen aus Washington auch darum, Russland als Energieexporteur in die EU zu neutralisieren. Doch kann deutsches Fracking das russische Gas ersetzen? Derzeit liefert Gazprom rund 37 Prozent der hierzulande verbrauchten Gesamtmenge. Gas aus Deutschland deckt derzeit 12 Pro- zent des Bedarfs. Experten glauben, dass man mit der umstrittenen Fördermethode auf maximal 20 Prozent käme.
Kritik an den geplanten Gesetzesänderungen kommt aber auch vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). »Wir hätten uns ein Fracking-Verbot gewünscht«, erklärte die BUND-Expertin für Klimapolitik, Ann-Kathrin Schneider gegenüber »nd«. So seien künftig Probebohrungen oberhalb von 3000 Metern zugelassen, wenn eine sechsköpfige Expertenkommission grünes Licht gebe. Für Schneider geht vom Gesetzesvorhaben ein falsches Signal aus. Langfristig müsse sich Deutschland von fossilen Energien wie Erdgas verabschieden. »Die Politik muss die Weichen stellen«, forderte Schneider.