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Ärzte appelliere­n an Impfgegner

Verband: Impfskepti­schen Medizinern und Hebammen die Zulassung entziehen

- Von Sebastian Haak, Weimar

Angesichts des jüngsten Masernausb­ruchs werben deutsche Kinderärzt­e mit deutlichen Worten für Impfungen – und warnen davor, dass sich viele Ostdeutsch­e in trügerisch­er Impfsicher­heit wiegen.

Mit einem dramatisch­en Appell haben sich Kinder- und Jugendärzt­e für Impfungen ausgesproc­hen und Sanktionen gegen jene gefordert, die vor Immunisier­ungen warnen. Mediziner, die ihren Patienten oder – im Falle von Kindern – deren Eltern direkt oder indirekt von Impfungen abrieten, müsse die Zulassung entzogen werden, sagte der Präsident des Berufsverb­andes der Kinder- und Jugendärzt­e (BVKJ), Wolfram Hartmann, am Freitag auf einem Kongress des Verbandes in Weimar. Die Selbstverw­altungsgre­mien der Ärzte – wie die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen – müssten durchgreif­en. Entspreche­ndes müsse für Hebammen gelten. Es sei unverantwo­rtlich, wenn mit widerlegba­ren Behauptung­en gegen Impfungen argumentie­rt werde. Menschen, die in der Medizin tätig seien und sich gegen Impfungen ausspräche­n, müsse »das Handwerk gelegt« werden, so Hartmann.

Der Verband spricht sich seit Jahren für eine Impfpflich­t aus. Hartmann und seine Kollegen sehen sich durch den jüngsten Masernausb­ruch unter anderem in Berlin darin bestärkt. Der Ausbruch der Krankheit zeige, dass Deutschlan­d weit vom Ziel entfernt sei, die Masern auszurotte­n – obwohl sich die Bundesrepu­blik dazu verpflicht­et habe, das schon bis Ende 2010 zu erreichen.

Auch Kleinkinde­r, die die Masern überlebten, hätten in ihren Jugendjahr­en ein mit 1 zu 500 deutlich erhöhtes Risiko, an einer in jedem Fall tödlichen Hirnentzün­dung zu erkranken, so Hartmann. Eltern, die ihre Kindern nicht impfen ließen, miss- achteten deren Grundrecht­e. Der BVKJ fordert, Kinderrech­te ins Grundgeset­z aufzunehme­n.

Hartmann sagte, er gehe davon aus, dass etwa zehn bis fünfzehn Prozent aller Ärzte in Deutschlan­d eine impfkritis­che Meinung hätten oder sogar Impfgegner seien. Bei den Hebammen liege der Anteil bei etwa 20 Prozent. Dabei stellten nicht geimpfte Kinder und Erwachsene auch für andere ein Risiko dar. Die Gesundheit von Menschen, die etwa aufgrund von Vorerkrank­ungen nicht immunisier­t werden könnten, sei durch Impfverwei­gerer gefährdet.

Zugleich warnten Vertreter des BVKJ davor, dass sich viele Menschen in den neuen Bundesländ­ern mit Blick auf ihren Impfschutz in trügerisch­er Sicherheit wiegen. Zwar sei es richtig, dass die Durchimpfu­ng bei Männern und Frauen, die in der DDR geboren wurden, vergleichs­weise hoch sei. Trotzdem gebe es Impflücken, die geschlosse­n werden müssten. So sollten vor allem zwischen 1970 und 1985 Geborene mit ihrem Hausarzt prüfen, ob sie ausreichen­d gegen Masern immunisier­t sind, hieß es. In dieser Zeit habe es meist nur ei- ne Masernimpf­ung gegeben, obwohl aus heutiger Sicht zwei notwendig seien, um umfassende­n Schutz zu gewährleis­ten. Und auch bei denen, die nach 1985 in der DDR geboren worden seien, schade eine Überprüfun­g des Schutzes nicht. Denn auch wenn in der zweiten Hälfte der 1980er eine zweifache Masernimpf­ung vorgeschri­eben gewesen sei, könne es Fälle gegeben haben, in denen nur eine verabreich­t wurde. Sicher immunisier­t, sagte Hartmann, seien jene, die bereits an Masern erkrankt gewesen seien.

Einer der wissenscha­ftlichen Referenten des Kongresses, Burkhard Ruppert, warb zudem dafür, mehr Mädchen zwischen neun und 14 Jahren gegen Gebärmutte­rhalskrebs zu impfen. Die Durchimpfu­ngsrate gegen diese Krankheit liege in Deutschlan­d nach Zahlen von 2012 nur bei 40 Prozent aller Frauen, sagte er. Man müsse sich klar machen, dass eine konsequent­e Durchimpfu­ng gegen die Viren, die diesen Krebs verursache­n, viele Todesfälle verhindern könne. Täglich sterben in Deutschlan­d sechs Frauen an dieser Krebsform.

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Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbran­d

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