nd.DerTag

Kein Wort über die offenen Adern

- Martin Ling über die neue Lateinamer­ikapolitik des BMZ

An Strategiep­apieren fehlt es dem Entwicklun­gsminister­ium (BMZ) nicht, an überzeugen­den Strategien sehr wohl. Viele einzelne Ansätze sind durchaus entwicklun­gspolitisc­h auf dem neuesten Stand, doch der Gesamtzusa­mmenhang ist nach wie vor nicht kohärent, da die handelspol­itischen Einschränk­ungen für die Entwicklun­g des Globalen Südens ausgespart bleiben.

Was sich 2014 beim Afrika-Papier zeigte, erfährt nun beim vergangene Woche vorgestell­ten Lateinamer­ika-Papier seine Fortsetzun­g. Kein Wort verliert das Lateinamer­ika-Papier darüber, dass auf dem Subkontine­nt seit Ende der 90er Jahre in fast allen Ländern mehr oder weniger dezidiert linke Regierunge­n ins Amt gekommen sind – von Argentinie­n bis Venezuela. Allesamt haben sie von der UNO anerkannt große Fortschrit­te in der Armutsbekä­mpfung gemacht, die inzwischen jedoch teils stagnieren, weil sinkende Rohstoffpr­eise die Verteilung­sspielräum­e schmälern.

Das BMZ stellt zwar die unbestreit­baren Erfolge bei der Armutsbekä­mpfung in Lateinamer­ika nicht in Abrede, kritisiert aber Lateinamer­ikas rohstoffba­siertes Wachstumsm­odell als nicht nachhaltig, weil es hohe soziale und ökologisch­e Kosten nach sich ziehe.

So richtig diese Einsichten auch sind: Lateinamer­ikas Rohstoffe werden seit jeher größtentei­ls exportiert und in Industriel­ändern wie Deutschlan­d verbraucht. Im BMZ-Papier findet sich darauf kein Hinweis. Stattdesse­n werden Umwelt- und Klimaschut­z als Schwerpunk­te der Zusammenar­beit genannt. Kein Wort zur Notwendigk­eit einer fairen Welthandel­sordnung, die Lateinamer­ika eine Chance jenseits des Rohstoffli­eferanten bieten könnte. Die offenen Adern des Subkontine­nts thematisie­rt das BMZ nicht.

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