Kein Wort über die offenen Adern
An Strategiepapieren fehlt es dem Entwicklungsministerium (BMZ) nicht, an überzeugenden Strategien sehr wohl. Viele einzelne Ansätze sind durchaus entwicklungspolitisch auf dem neuesten Stand, doch der Gesamtzusammenhang ist nach wie vor nicht kohärent, da die handelspolitischen Einschränkungen für die Entwicklung des Globalen Südens ausgespart bleiben.
Was sich 2014 beim Afrika-Papier zeigte, erfährt nun beim vergangene Woche vorgestellten Lateinamerika-Papier seine Fortsetzung. Kein Wort verliert das Lateinamerika-Papier darüber, dass auf dem Subkontinent seit Ende der 90er Jahre in fast allen Ländern mehr oder weniger dezidiert linke Regierungen ins Amt gekommen sind – von Argentinien bis Venezuela. Allesamt haben sie von der UNO anerkannt große Fortschritte in der Armutsbekämpfung gemacht, die inzwischen jedoch teils stagnieren, weil sinkende Rohstoffpreise die Verteilungsspielräume schmälern.
Das BMZ stellt zwar die unbestreitbaren Erfolge bei der Armutsbekämpfung in Lateinamerika nicht in Abrede, kritisiert aber Lateinamerikas rohstoffbasiertes Wachstumsmodell als nicht nachhaltig, weil es hohe soziale und ökologische Kosten nach sich ziehe.
So richtig diese Einsichten auch sind: Lateinamerikas Rohstoffe werden seit jeher größtenteils exportiert und in Industrieländern wie Deutschland verbraucht. Im BMZ-Papier findet sich darauf kein Hinweis. Stattdessen werden Umwelt- und Klimaschutz als Schwerpunkte der Zusammenarbeit genannt. Kein Wort zur Notwendigkeit einer fairen Welthandelsordnung, die Lateinamerika eine Chance jenseits des Rohstofflieferanten bieten könnte. Die offenen Adern des Subkontinents thematisiert das BMZ nicht.