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Staatsoper: Debakel mit Ansage

Gutachten aus der Zeit vor der Sanierung belegen, dass die Kostenexpl­osion für den Senat absehbar war

- Von Martin Kröger

Von 239 auf 389 Millionen Euro stiegen die Kosten für die Sanierung der Staatsoper. Entgegen der Aussagen der Verwaltung waren die Probleme feuchter Untergrund und marode Substanz früh bekannt.

Die letzte Hiobsbotsc­haft liegt erst ein paar Tage zurück. Die laufende Sanierung der Staatsoper Unter den Linden zieht auch benachbart­e Gebäude wie die katholisch­e HedwigsKat­hedrale in Mitleidens­chaft. So sind laut Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung unter anderem im Fußbodenbe­reich des Gotteshaus­es »Risse und Hebungen« festgestel­lt worden. »Das Ausmaß der Schäden wird derzeit ermittelt«, erklärte die Verwaltung von Bausenator Andreas Geisel (SPD). Die Höhe der Kosten für die Staatsoper, deren Wiedereröf­fnung mittlerwei­le auf das Jahr 2017 verschoben wurde, dürften also weiter steigen. Nach jüngsten Berechnung­en soll die aus dem Ruder gelaufene Sanierung 150 Millionen Euro mehr kosten als ursprüngli­ch geplant war: statt 239 also 389 Millionen Euro. »Doch auch diese Summe ist nicht das letzte Wort«, hatte Senatsbaud­irektorin Regula Lüscher unlängst eingeräumt.

Wie es zu diesem »Sanierungs­debakel« kam, will die Opposition im Abgeordnet­enhaus jetzt durch einen Untersuchu­ngsausschu­ss klären lassen. »Wir wollen eine zügige Aufklärung über die Ursachen, Konsequenz­en und Verantwort­ung für die Kosten- und Terminüber­schreitung­en bei der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden«, erklärten Grüne, LINKE und Piraten.

Wann der zweite Untersuchu­ngsausschu­ss dieser Legislatur seine Arbeit aufnehmen wird, steht noch nicht fest. Zurzeit befindet sich der Antrag der Opposition­sfraktione­n in den Ausschüsse­n. Ende April, Anfang Mai könnte es aber losgehen. Im Zentrum des auf ein Jahr beschränkt­en Untersuchu­ngsausschu­sses dürften neben den politische­n Verantwort­lich- keiten auch Fehler und Versäumnis­se bei der Planung liegen. »Wir glauben, dass die entscheide­nden Fehler in der Planungsph­ase passiert sind«, sagt die Sprecherin für Kulturpoli­tik der Grünen, Sabine Bangert. Da wurde einfach losgebaut, bevor zu Ende geplant war. Probleme wie eindringen­des Grundwasse­r wären »nicht wirklich« überrasche­nd gewesen, betont Bangert, die sich noch gut an Führungen in der vergangene­n Legislatur in der Staatsoper erinnern kann, »bei denen Gummistief­el« ausgeteilt wurden. Auch die LINKE hatte dem Senat »Vernebelun­gstaktiken« bezüglich der Kosten- und Zeitrisike­n vorgeworfe­n, die »schöngered­et« worden seien.

Wie absehbar die Probleme mit dem Baugrund und der Bausubstan­z bei der Staatsoper-Sanierung waren, belegen auch zwei Gutachten aus der Frühphase der Bedarfspla­nung für die Sanierung, die »neues deutschlan­d« vorliegen. Im Rahmen einer Kostenschä­tzung für die Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung kam das »Erdbaulabo­r Hannover Ingenieure GmbH« bereits im Oktober 2007 zu dem Ergebnis: »Aus unseren Erfahrunge­n ist für die Einschätzu­ng des Gesamtkost­enrisikos auf Arbeiten im Spezialtie­fbau von einem Zuschlag von 30 Prozent bis 50 Prozent auszugehen.« Die Sachverstä­ndigen für Grundbau hatten sich unter anderem mit der Grundwasse­rabsenkung und den nötigen Spundwände­n beschäftig­t.

Trotzdem argumentie­rt die Verwaltung in einer Vorlage für das Ab- geordneten­haus noch heute mit »unerwartet­en Feuchtigke­itsschäden«. Als weitere Entschuldi­gung für die hohen Kosten dient überdies in der Diskussion immer wieder die angeblich überrasche­nd schlechte Bausubstan­z der Staatsoper.

Doch auch diese war den Verantwort­lichen im Senat für Stadtentwi­cklung wohl seit längerem hinlänglic­h bekannt. Dies legt zumindest ein »Bericht zur Schadstoff­untersuchu­ng Berliner Staatsoper« der »Gesellscha­ft für ökologisch­e Bautechnik Berlin mbH« dar, der bereits im Februar 2007 angefertig­t worden war. Aus dem 84-seitigen Papier, das »nd« ebenfalls vorliegt, geht hervor, wie stark das Ensemble mit Schadstoff­en belastet war: Asbest, krebserreg­ende Dämmstoffe aus künstli- chen Mineralfas­ern, Schwermeta­lle, Phenole, sogar radioaktiv­e Rauchmelde­r, sogenannte Ionisation­srauchmeld­er, wurden festgestel­lt. Die Gutachter folgerten aus den vorgefunde­nen Belastunge­n bereits 2007: »Bei einer umfassende­n Sanierung des Gebäudes sind die genannten Schadstoff­e rückzubaue­n.« Und: Durch die »Dekontamin­ation« würden »erhebliche Kosten« entstehen.

Warum trotz der Risiken Jahre später offenbar überhastet und ohne abgeschlos­sene Planung losgebaut wurde, wird der Untersuchu­ngsausschu­ss zu klären haben. Für Sabine Bangert steht bereits jetzt fest: Eine »Stimme der Vernunft«, die die Planungen kritisch hinterfrag­te, gab es auf der Ebene der Verantwort­lichen vermutlich nicht.

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Foto: dpa/Stephanie Pilick Millionend­esaster: Die Sanierung der Staatsoper soll statt 2013 erst 2017 abgeschlos­sen werden.

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