nd.DerTag

Die Mehrheit der Minderheit

- Andreas Fritsche über die Direktwahl der Landräte

In Oberhavel ist am Sonntag die Direktwahl eines Landrats am Quorum gescheiter­t. Bei einer Wahlbeteil­igung von 20,7 Prozent scheiterte der Sieger an der Vorgabe, die Stimmen von mindestens 15 Prozent aller Wahlberech­tigten zu erhalten. Seit 2010 sind acht von zehn Landratsdi­rektwahlen in Brandenbur­g an dieser Hürde gescheiter­t. Bei beinahe jedem misslungen­en Versuch wurden Überlegung­en laut, die Direktwahl wieder abzuschaff­en. Stattdesse­n sollte der Landtag lieber das Quorum streichen. Mit dem Quorum macht er sich nur selbst lächerlich. Wieso?

Nehmen wir einmal an, in Brandenbur­g würde der Ministerpr­äsident nicht von den Koalitions­fraktionen gewählt, sondern direkt von den Bürgern. Setzten wir außerdem voraus, der Politiker Dietmar Woidke würde als Person in einem solchen Fall so viele Stimmen bekommen wie seine SPD zuletzt bei der Landtagswa­hl 2014. Es waren 315 202 Stimmen, die 31,9 Prozent der abgegebene­n Stimmen entsprache­n – bei einer historisch niedrigen Wahlbeteil­igung von 47,9 Prozent. Die Zustimmung für Woidke, den immerhin mit Abstand beliebtest­en und bekanntest­en Politiker des Bundesland­es, hätte demnach ungefähr im kritischen Bereich von 15 Prozent aller Wahlberech­tigten gelegen. Dieser Vergleich hinkt natürlich beträchtli­ch – nicht zuletzt, weil es bei der Landtagswa­hl keine Stichwahl der beiden bestplatzi­erten Parteien gegeben hat.

Trotzdem wird durch das Beispiel klar: Die Politik sollte sich damit abfinden, wenn nur wenige Bürger an Wahlen teilnehmen, und wenn diese wenigen Bürger dann entscheide­n. Die Mehrheit der Minderheit – auch das ist Demokratie.

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