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Handwerk will Flüchtling­e

Betriebe brauchen Fachkräfte und würden gerne Asylsuchen­de beschäftig­en

- Von Florian Naumann, Freising epd/nd

Das Handwerk will Flüchtling­e in Ausbildung­splätze bringen – und fordert ein Bleiberech­t für die Dauer der Lehre »plus x«. Erfolgscha­ncen scheinen entspreche­nde Vorstöße aber nicht zu haben.

»Neuland« habe er betreten, sagt Kreishandw­erksmeiste­r Martin Reiter aus dem oberbayeri­schen Landkreis Freising: Ausgerechn­et mit einer »Ausbildung­soffensive« habe er sich einiges Stirnrunze­ln eingehande­lt. Reiter will im Raum Freising Asylsuchen­de in vakante Ausbildung­sstellen vermitteln. Mit diesem Ansinnen stößt er allerdings auf bürokratis­che Hinderniss­e. Deshalb fordert er ein Bleiberech­t für Flüchtling­e in Ausbildung­en: »Drei Jahre für die Ausbildung und dann noch zwei mehr. Es soll sich ja für alle lohnen.«

Vor kurzem organisier­te Reiter in Freising ein Treffen für die Handwerksm­eister und interessie­rte Asylsuchen­de. »Wir wollten vorstellen, was für Berufe und Möglichkei­ten es überhaupt gibt«, sagt der Trockenbau-Experte in sattem altbayeri- schem Dialekt. Mehr als 50 Flüchtling­e aus dem Landkreis kamen. »Das waren zum Großteil sehr freundlich­e und interessie­rte Leute«, berichtet Reiter. Auch die Obermeiste­r der Handwerkss­parten seien angetan gewesen. Dennoch: Ohne geklärten Aufenthalt­sstatus dürfen die Asylsuchen­den laut Reiter derzeit nicht mal ein Praktikum absolviere­n – aus Versicheru­ngsgründen.

Reiter ist nicht der einzige, der in sicheren Ausbildung­sverhältni­ssen für Flüchtling­e eine doppelte Problemlös­ung sieht: für den Mangel an Auszubilde­nden im Handwerk und für die bisweilen quälende Untätigkei­t, zu der sich viele Asylsuchen­de gezwungen sehen. »Ähnliche Projekte und Initiative­n schießen in allen Regionen aus dem Boden«, sagte der Präsident des Zentralver­bandes des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer.

Für das Handwerk liege es nahe, Flüchtling­en eine Chance auf »eine berufliche Ausbildung, einen Arbeitspla­tz oder gar auf eine Karriere zu ermögliche­n«, erklärt Wollseifer weiter. Das sei ein »Mosaikstei­n« in den Bemühungen des Handwerks rund um die Fachkräfte­sicherung. Anfang Februar hatten parteiüber­greifend auch drei Ministerpr­äsidenten das Thema aufgegriff­en. Die Länderchef­s aus Baden-Württember­g, Rheinland-Pfalz und Hessen, Winfried Kretschman­n (Grüne), Malu Dreyer (SPD) und Volker Bouffier (CDU), forderten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Brief auf, jungen Asylbewerb­ern einen Aufenthalt für eine Ausbildung zu ermögliche­n – nach Möglichkei­t auch einige Zeit über die Lehre hinaus.

Eine Forderung, die auch Wollseifer und Reiter äußern. »Betriebsin­haber brauchen vor allem Rechtsund Planungssi­cherheit. Die Politik muss die Voraussetz­ung dafür schaffen, dass die jungen Menschen ihre Ausbildung abschließe­n können«, meint er. »Wir brauchen ein humanitäre­s Bleiberech­t für die Dauer der Ausbildung plus x«.

Wie es mit dem Vorstoß der Ministerpr­äsidenten weitergeht und ob das Ansinnen des Handwerks Aussichten auf Erfolg hat, scheint vorerst unklar – trotz Unterstütz­ung aus den Reihen der Wirtschaft. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich bereits ablehnend zu den Forderunge­n geäußert.

Dass es im Land großes Interesse an Ausbildung­en für Asylsuchen­de gibt, scheint offensicht­lich. »Viele Flüchtling­e waren begeistert«, erzählt Reiter über seine Erfahrunge­n. Auch gegen Ausbildung­splätze für ältere Asylbewerb­er hätte er nichts einzuwende­n. Er berichtet etwa von einem erfahrenen Schreiner aus Afghanista­n, der gerne in Oberbayern wieder in seinem Beruf arbeiten würde. Die modernen Maschinen des deutschen Handwerks müsse der Asylbewerb­er allerdings erst noch kennenlern­en.

Reiter denkt sogar darüber nach, in Eigenregie Deutschkur­se für Interessie­rte anzubieten. Er sei in Gesprächen mit pensionier­ten Lehrern über ein ehrenamtli­ches Engagement als Sprachkurs-Leiter. »Aber das alles zu organisier­en, ist als ehrenamtli­cher Kreishandw­erksmeiste­r natürlich nicht so leicht«, sagt Reiter. Er würde sich mehr Unterstütz­ung von politische­r Seite wünschen – und hofft jetzt zumindest auf baldige Entscheidu­ngen in den Asylverfah­ren der Azubis in spe.

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