Schäuble zieht die unterste Schublade
Entwurf zur Erhöhung von Familienleistungen verärgert den Koalitionspartner SPD
Ein Koalitionsvertrag ist nicht in Stein gemeißelt, das demonstriert gerade Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Familienleistungen will er geringer anheben als vereinbart.
Wolfgang Schäubles Vorstoß war offenbar gut vorbereitet. Der Referentenentwurf aus dem Bundesfinanzministerium, der nur eine geringfügige Anhebung von Familienleistungen vorsieht, wurde am Montag just zu dem Zeitpunkt vorgestellt, als Familienministerin Manuela Schwesig außer Landes war. Vor den Vereinten Nationen in New York setzte die Sozialdemokratin sich für die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen ein. Ihr Vorstoß steht im Zusammenhang mit einer Offensive ihres Ressorts zur gleichen Bezahlung von Männern und Frauen – ein Vorschlag, der vor allem in den Rei- hen der Union für Verstimmung gesorgt hatte.
Nach ihrer Rückkehr aus New York erklärte Schwesig, Schäubles Vorstoß sei nicht mit ihr abgesprochen worden. »Es kann nicht sein, dass die Alleinerziehenden leer ausgehen, obwohl Herr Schäuble Steuermehreinnahmen hat«, so Schwesig. Die beiden Minister verhandeln derzeit über ein Paket von vier Familienleistungen: den Kinderfreibetrag für Gutverdiener, das Kindergeld, den Kinderzuschlag für Geringverdiener und die Steuerentlastung für Alleinerziehende.
Der nun vorgelegte Referentenentwurf des Finanzministeriums bleibt bei weitem hinter dem zurück, was Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen hatten. Das Kindergeld soll in diesem Jahr um lediglich vier Euro auf 188 Euro angehoben werden, im kommenden Jahr auf 190 Euro. Der Kinderfreibetrag muss erhöht werden, weil das Existenzminimum für ein Kind gestiegen ist und dies steuerfrei bleiben muss. Schäubles Entwurf sieht zudem vor, den Kinderzuschlag für Ge- ringverdiener im kommenden Jahr um 20 Euro auf 160 Euro anzuheben. Für die Alleinerziehenden ist dagegen nichts vorgesehen.
Seit der Einführung des steuerfreien Entlastungsbetrags für Alleinerziehende 2004 beträgt er jährlich 1308 Euro, was einer realen Entlastung von rund 350 Euro entspricht. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD noch vereinbart, die Entlastung anzuheben und dafür rund 60 Millionen Euro im Jahr auszugeben.
Unmut erntet Schäuble für seinen Entwurf nun von den Sozialdemokraten. Fraktionsvize Carola Reimann erklärte der »Passauer Neuen Presse«, sie erwarte, dass der Koalitionsvertrag eingehalten werde. Schließlich dürfe die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinander gehen, warnte sie.
Auch in der Union ist Schäubles Vorstoß in die Kritik geraten. So kündigte der Vorsitzende des Familienausschusses, Paul Lehrieder (CSU), an, für Nachbesserungen zu kämpfen. Die geplante Erhöhung des Kindergeldes um wenige Euro würden viele nicht als »Anerkennung ihrer Familienleistung« empfinden, sagte Lehrieder der »Neuen Passauer Presse«.
»Es kann nicht sein, dass die Alleinerziehenden leer ausgehen, obwohl Herr Schäuble Steuermehreinnahmen hat.« Manuela Schwesig, Familienministerin