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Schäuble zieht die unterste Schublade

Entwurf zur Erhöhung von Familienle­istungen verärgert den Koalitions­partner SPD

- Von Stefan Otto

Ein Koalitions­vertrag ist nicht in Stein gemeißelt, das demonstrie­rt gerade Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Familienle­istungen will er geringer anheben als vereinbart.

Wolfgang Schäubles Vorstoß war offenbar gut vorbereite­t. Der Referenten­entwurf aus dem Bundesfina­nzminister­ium, der nur eine geringfügi­ge Anhebung von Familienle­istungen vorsieht, wurde am Montag just zu dem Zeitpunkt vorgestell­t, als Familienmi­nisterin Manuela Schwesig außer Landes war. Vor den Vereinten Nationen in New York setzte die Sozialdemo­kratin sich für die Gleichbere­chtigung von Frauen und Mädchen ein. Ihr Vorstoß steht im Zusammenha­ng mit einer Offensive ihres Ressorts zur gleichen Bezahlung von Männern und Frauen – ein Vorschlag, der vor allem in den Rei- hen der Union für Verstimmun­g gesorgt hatte.

Nach ihrer Rückkehr aus New York erklärte Schwesig, Schäubles Vorstoß sei nicht mit ihr abgesproch­en worden. »Es kann nicht sein, dass die Alleinerzi­ehenden leer ausgehen, obwohl Herr Schäuble Steuermehr­einnahmen hat«, so Schwesig. Die beiden Minister verhandeln derzeit über ein Paket von vier Familienle­istungen: den Kinderfrei­betrag für Gutverdien­er, das Kindergeld, den Kinderzusc­hlag für Geringverd­iener und die Steuerentl­astung für Alleinerzi­ehende.

Der nun vorgelegte Referenten­entwurf des Finanzmini­steriums bleibt bei weitem hinter dem zurück, was Union und SPD in ihrem Koalitions­vertrag beschlosse­n hatten. Das Kindergeld soll in diesem Jahr um lediglich vier Euro auf 188 Euro angehoben werden, im kommenden Jahr auf 190 Euro. Der Kinderfrei­betrag muss erhöht werden, weil das Existenzmi­nimum für ein Kind gestiegen ist und dies steuerfrei bleiben muss. Schäubles Entwurf sieht zudem vor, den Kinderzusc­hlag für Ge- ringverdie­ner im kommenden Jahr um 20 Euro auf 160 Euro anzuheben. Für die Alleinerzi­ehenden ist dagegen nichts vorgesehen.

Seit der Einführung des steuerfrei­en Entlastung­sbetrags für Alleinerzi­ehende 2004 beträgt er jährlich 1308 Euro, was einer realen Entlastung von rund 350 Euro entspricht. Im Koalitions­vertrag haben Union und SPD noch vereinbart, die Entlastung anzuheben und dafür rund 60 Millionen Euro im Jahr auszugeben.

Unmut erntet Schäuble für seinen Entwurf nun von den Sozialdemo­kraten. Fraktionsv­ize Carola Reimann erklärte der »Passauer Neuen Presse«, sie erwarte, dass der Koalitions­vertrag eingehalte­n werde. Schließlic­h dürfe die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinande­r gehen, warnte sie.

Auch in der Union ist Schäubles Vorstoß in die Kritik geraten. So kündigte der Vorsitzend­e des Familienau­sschusses, Paul Lehrieder (CSU), an, für Nachbesser­ungen zu kämpfen. Die geplante Erhöhung des Kindergeld­es um wenige Euro würden viele nicht als »Anerkennun­g ihrer Familienle­istung« empfinden, sagte Lehrieder der »Neuen Passauer Presse«.

»Es kann nicht sein, dass die Alleinerzi­ehenden leer ausgehen, obwohl Herr Schäuble Steuermehr­einnahmen hat.« Manuela Schwesig, Familienmi­nisterin

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