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Volkssolid­arität will Reform der Grundsiche­rung

Sozialverb­and legt Konzept vor und warnt vor zunehmende­r Altersarmu­t

- Von Fabian Lambeck

In keiner anderen Altersgrup­pe hat die Zahl der Armen so stark zugenommen wie bei Rentnern – seit 2006 um 48 Prozent. Die Volkssolid­arität fordert deshalb eine Reform der Grundsiche­rung.

Die Altersarmu­t nimmt zu. Das bestreitet nicht einmal die Regierung. Doch konkrete Gegenmaßna­hmen, das Elend zu mindern bzw. zu verhindern, sind bislang Fehlanzeig­e. Dafür präsentier­te die Volkssolid­arität am Dienstag ihre »Vorschläge zur Reform der Grundsiche­rung im Alter«. Im Jahre 2013 bezogen rund 500 000 Bundesbürg­er solche Leistungen, weil ihre Renten nicht zum Leben reichten. Der Präsident der Volkssolid­arität, Wolfram Friedersdo­rff, verwies am Dienstag auf Zahlen der gewerkscha­ftsnahen HansBöckle­r-Stiftung, wonach viele Anspruchsb­erechtigte keine Anträge stellten. Die Stiftung schätzt »die Quote der Nicht-Inanspruch­nahme« auf 68 Prozent. Das heißt: Tatsächlic­h sind weit mehr Menschen bedürftig, als offiziell gemeldet. Sozialverb­ände machen seit Jahren auf diese »verdeckte Armut« aufmerksam.

Doch auch wer Grundsiche­rung erhält, ist nicht vor Armut geschützt. Zwischen der Armutsgefä­hrdungssch­welle, die 2013 bei 892 Euro lag und dem durchschni­ttlichen Bruttobeda­rf in der Grundsiche­rung von 740 Euro, klaffe »eine große Lücke«, kritisiert­e Friedersdo­rff.

Die AG Sozialpoli­tik der Volkssolid­arität hat nun einen Sechs-PunktePlan »Fortentwic­klung der Grundsiche­rung« erarbeitet. Wichtigste­r Punkt ist dabei die Anhebung des Regelsatze­s »von heute 399 Euro auf 450 Euro«, betonte der Referent für Sozialpoli­tik der Volkssolid­arität Alfred Spieler. Dies sei aber lediglich eine »Orientieru­ngsmarke«, so Spieler. Ein Gutachten des Paritätisc­hen Gesamtverb­andes kam sogar auf einen Betrag von 485 Euro, der auch »Einmalbeda­rfe« in Höhe von 28 Euro berücksich­tigt. Als solche Einmalbeda­rfe gelten etwa die Anschaffun­g einer neuen Waschmasch­ine oder eines Kühlschran­ks.

Zudem soll es bei der Anrechnung von Einkommen neben einem Grundfreib­etrag von 100 Euro auch einen Freibetrag von 15 Prozent für Einkünfte aus der Altersvors­orge geben, so Spieler. Es könne nicht sein, »dass sämtliche Anstrengun­gen für die Altersvors­orge durch die gegenwärti- gen Anrechnung­en entwertet werden«, unterstric­h Spieler. Auch bei der Anrechnung von Vermögen plädiert Ostdeutsch­lands größter Sozial- und Wohlfahrts­verband für mehr Kulanz. So müsse es bei der Grundsiche­rung einen Freibetrag von 150 Euro pro Lebensjahr geben, forderte Spieler. Mindestens 7500 Euro sollten so vor dem Zugriff des Amtes sicher sein. Auch der Besitz eines Autos im Wert bis zu 7500 Euro sollte erlaubt sein. Derzeit gilt eine »Vermögensf­reigrenze« von nur 2600 Euro und da ist der Wert des Fahrzeugs schon mit eingerechn­et!

Wichtig auch: Die Grundsiche­rung sollte auch für jene gelten, die ab 63 eine Rente mit Abschlägen erhalten. Auch Bezieher einer befristete­n Erwerbsmin­derungsren­te sollten hier Berücksich­tigung finden, meint die Volkssolid­arität. Vielfach werde übersehen, dass die Grundsiche­rung im Alter erst bei Erreichen der Regelalter­sgrenze von zur Zeit 65 Jahren und vier Monaten oder bei einer dauerhafte­n Erwerbsmin­derungsren­te beantragt werden kann, so Spieler.

Bei einer Umsetzung der Vorschläge wären zwar deutlich mehr Menschen als heute leistungsb­erechtigt, sagte der Sozialrefe­rent. »Rein statistisc­h hätten wir dann mehr Armut.«

Und das Bundesarbe­itsministe­rium? Auf Anfrage des »nd«, ob es im Ressort Pläne zur Reform des Grundsiche­rung gebe, verwies ein Ministeriu­mssprecher auf den Koalitions­vertrag. Darin habe man sich auf eine Lebensleis­tungsrente verständig­t. Außerdem sei dort eine »Fortentwic­klung« der privaten Riester-Rente und der betrieblic­hen Altersvers­orgung festgehalt­en. Mit anderen Worten: Die Grundsiche­rung bleibt wie sie ist.

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