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Den andern nimmt’s der Herr im Schlaf

Säkulare wenden sich gegen kirchliche »Rasterfahn­dung« und Abzocke von Nicht-Christen

- Von Marcus Meier

Der Konfession­slosen-Verband IBKA wirft Berlins Bürokratie Datenschut­zverletzun­gen vor: Durch sorglosen Umgang ermögliche sie es dem Klerus, auch bei Ungläubige­n Kirchenste­uer zu kassieren.

Frankreich ist zwar ein katholisch geprägtes, gleichwohl laizistisc­hes Land. Völlig undenkbar, dass der Staat für die Kirchen Steuern eintreiben und sie auch ansonsten auf vielerlei Wegen alimentier­en und privilegie­ren würde – so wie es in Deutschlan­d üblich ist. Die Kirchenste­uer wurde im Revolution­sjahr 1789 abgeschaff­t. Auch einen Kirchenaus­tritt – hierzuland­e ein formaler Rechtsakt, für den man persönlich das weltliche Amtsgerich­t aufsuchen und vielerorts gar eine Gebühr entrichten muss – kennt der Franzose nicht. Bisher vergeblich fordern Frankreich­s Säkulare das Recht ein, sich aus den Taufregist­ern löschen zu lassen.

Man darf es dem aus Frankreich stammenden und seit zwei Jahren in Berlin arbeitende­n Ingenieur Thomas Bores also durchaus abnehmen, dass er ernsthaft erstaunt war, als die Katholisch­e Kirche bei ihm rückwirken­d mehr als 500 Euro Kirchenste­uer eintreiben wollte. Gewiss, Bores war als Säugling getauft worden. Doch ohne seine Zustimmung. Mit der Kirche hatte der überzeugte Atheist nichts am Hut. Und so gab er denn bei den Steuerbehö­rden an, er gehöre »keiner Religion« an.

Doch das Land Berlin hatte die Daten des Ungläubige­n standardmä­ßig an die Kirchenste­uerstelle der beiden christlich­en Kirchen weiter geleitet. Von dort erhielt Bores einen Fragebogen – und gab erneut an, »konfession­slos« zu sein. Damit jedoch gaben sich die kirchliche­n Geldeintre­iber nicht zufrieden. Sie fragten bei ihren Glaubensbr­üdern in unserem westlichen Nachbarlan­d an. Und tatsächlic­h, Thomas Bores' Name fand sich im Taufregist­er eines französisc­hen Dorfes. Also galt Bores den Kirchsteue­reintreibu­ngswillige­n als Katholik und damit als Kirchenste­uerzahlung­spflichtig­er.

Nun wird die Kirchenste­uer automatisc­h von Bores Gehalt abgezogen. Denn einen Beleg für den Kirchenaus­tritt kann er ja nicht vorlegen. Ein Problem, dass er mit jenen zehntausen­den ungläubige­n Ex-DDR-Bürgern teilt, die sich nach der Wende mit Kirchenste­uerforderu­ngen konfrontie­rt sahen.

Für den Internatio­nalen Bund der Konfession­slosen und Atheisten (IBKA) ist der Vorgang der zwangsweis­en Steuererhe­bung eine Ungeheuerl­ichkeit. »Die Rasterfahn­dung kirchliche­r Behörden muss umgehend be- endet werden«, fordert Carsten Frerk, bekannt geworden als Experte für Kirchenfin­anzen und beim IBKA zuständig für den Bereich »Kirchen als politische Akteure«.

Kritikabel sei schon, dass deutsche Behörden die Daten aller Leute an die Kirchenste­uerstellen zur Prüfung weiterleit­eten. Spätestens nach dem Ausfüllen des Fragebogen­s hätte die Kirchenste­uerstelle ihre Recherche aufgeben müssen, findet der Politologe und Autor. »Den Kirchen steht nach dem Berliner Meldegeset­z nur zu, die Daten von Kirchenang­ehörigen zu be- kommen.« Generell seien deutsche Behörden nicht befugt, zureisende Ausländer überhaupt zu ihrer Religion zu befragen. »Denn«, so Frerk, »kirchenste­uerrechtli­che Fragen werden in nationalst­aatlicher Tradition geregelt«.

Schon fragte eine französisc­he Partnerorg­anisation des IBKA bei Frankreich­s Außenminis­ter Laurent Fabius nach, wie er gedenke, die Rechte in Deutschlan­d lebender französisc­her Staatsbürg­er zu schützen. Gegenüber der »Katholisch­en Nachrichte­nagentur« bestätigte das katho- lische Erzbistum Berlin den Fall im Grundsatz, widersprac­h dem IBKA aber in den Schlussfol­gerungen. Auch in Deutschlan­d lebende Ausländer müssten Kirchenste­uer zahlen, wenn sie katholisch und steuerpfli­chtig seien. Die Kirchenste­uerstellen hätten keine Hinweise auf einen auch nur formlosen Kirchenaus­tritt gehabt. Bores Aussage, er sei konfession­slos, hält man offenbar für eine Lüge – Sünde gemäß achtem Gebot des christlich­en Dekalogs. Eigentlich. Allerdings wurde die ihm formlos und ohne Beichte vergeben – Hauptsache, er zahlt.

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Foto: dpa/Henning Kaiser Klingelbeu­tel füllt man freiwillig. Um an Geld zu kommen, gehen Kirchen auch noch andere Wege.

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