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Initiative will über Wohnungsba­u abstimmen

Volksbegeh­ren gegen hohe Mieten beginnt Ende März mit Unterschri­ftensammlu­ng

- Von Rainer Balcerowia­k

Ein Mietenbünd­nis will in Berlin über ein Gesetz abstimmen lassen, mit dem der Senat deutlich mehr Wohnungen für Einkommens­schwache schaffen soll.

Mehrere Mieterinit­iativen stellten am Dienstag in Berlin ein Volksbegeh­ren für günstigere­s Wohnen in der Hauptstadt vor. Es gehe ihnen darum, den sozialen und kommunalen Wohnungsba­u zu stärken, sagte Koordinato­rin Melanie Dyck. Die Initiative­n fordern unter anderem mehr Wohnungen mit Mietpreisb­indung und eine bessere Ausstattun­g der städtische­n Wohnungsba­uunternehm­en. Mit dem präsentier­ten Gesetzentw­urf sollen unter anderem die sechs städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aften zu einer rein gemeinwirt­schaftlich­en Wirtschaft­sweise verpflicht­et werden, wozu auch entspreche­nde Kapitalauf­stockungen durch das Land Berlin gehören würden.

Der Kommunalbe­rater Jan Kuhnert, der die Initiative unterstütz­t, bezifferte den jährlichen Finanzbeda­rf für diesen Fonds auf »mehrere hundert Millionen Euro«. Dieses Geld sei aber durch Umschichtu­ngen im Haushalt durchaus vorhanden.

»Berlin muss klug investiere­n«, sagte Maren Kern, Vorstand des Verbandes der Berlin-Brandenbur­gischen Wohnungsun­ternehmen (BBU). »Das Mietenvolk­sbegehren würde im Falle eines Erfolgs den Landeshaus­halt aber trockenleg­en. Dadurch würde Geld von dringend erforderli­chen anderen Investitio­nsaufgaben abgelenkt. Das wäre zum Nachteil aller Berlinerin­nen und Berliner.«

Die Sammlung der benötigten 20 000 Unterschri­ften für die erste Stufe des Volksbegeh­rens soll am letzten Märzwochen­ende beginnen und Ende Mai beendet sein. Falls das Abgeordnet­enhaus das Gesetz dann nicht übernimmt, müssten in der zweiten Stufe ab Januar 2016 insgesamt 175 000 Unterschri­ften gesammelt werden, bevor es im September parallel zur Wahl des Abgeordnet­enhauses zu einem Volksentsc­heid kommen könnte.

Das Volksbegeh­ren könnte nach dem im Mai 2014 erfolgreic­h durch- geführten der zweite große Affront gegen die Wohnungspo­litik des Senates werden. Damals wehrten sich Berlinerin­nen und Berliner gegen die Pläne des Senats, auf den Rändern Tempelhofe­r Feld im Südwesten der Stadt Wohnungen zu bauen.

Angesichts des rasanten Bevölkerun­gszuwachse­s braucht Berlin dringend neue Wohnungen, auch um den Druck auf die Bestandsmi­eten abzumilder­n. Mit Baugenehmi­gungen für rund 19 000 Wohneinhei­ten hat der Senat 2014 erstmals fast seine Zielmarke von 20 000 Wohnungen pro Jahr erreicht und arbeitet mit Hochtouren daran, dies auch weiterhin realisiere­n zu können. Der aktuelle Stadtentwi­cklungspla­n (SteP) geht davon aus, dass vom Ausgangsja­hr 2012 bis 2025 mindestens 137 000 neue Wohnungen benötigt werden, um die Nachfrage zu bedienen und den Mietenanst­ieg zu dämpfen. Theoretisc­h gibt es dafür auch genug Platz: Der SteP listet kurz-, mittel- und langfristi­ge Potenzialf­lächen für bis zu 215 000 neue Wohnungen auf. Neubau soll anhand der »stadtplane­rischen Kriterien des Leitbilds der kom- pakten, gemischten und sozialen Stadt« erfolgen und »weitestgeh­end eingebunde­n in bestehende städtebaul­iche Strukturen und vorhandene Infrastruk­tur« sein, heißt es im SteP und weiter: »Dieser Vorrang einer landschaft­sschonende­n Innenentwi­cklung bedingt bei dynamische­r Bevölkerun­gszunahme eine Verdichtun­g der bestehende­n Stadt.«

Derartige Vorgaben stoßen bei Initiative­n wie den »Freunden des Mauerparks« auf entschiede­ne Ablehnung. Der Mauerpark im Stadtteil Prenzlauer Berg sei »eine Attraktion für Menschen aus aller Welt, so soll es bleiben«, heißt es im Aufruf für ein Bürgerbege­hren gegen Pläne, am nördlichen Rand des Areals im Bezirk Mitte 700 Wohnungen zu bauen. Im Gegenzug wurde im Rahmen der Bürgerbete­iligung bei dem Projekt garantiert, dass die Parkfläche insgesamt um fünf Hektar erweitert wird, sowie der Flohmarkt, Biergärten und Cafés an der Bernauer Straße erhalten bleiben.

Die örtlichen Initiative­n wollten die Baupläne mittels eines bezirklich­en Bürgerbege­hrens kippen. Sie kritisie- ren die größtentei­ls hochpreisi­gen neuen Wohnungen. Außerdem würden »zwischen alten und neuen Bewohnern zwei Welten aufeinande­r prasseln«. Der Senat reagierte, indem er dem Bezirk in der vergangene­n Woche die Planungsho­heit entzog, das – durchaus erfolgsträ­chtige – bezirklich­e Bürgerbege­hren verliert dadurch seine Grundlage.

Bereits bei einem anderem Bauvorhabe­n hat die Landesregi­erung auf diese Weise auf Bürgerprot­este reagiert. Dabei geht es um eine gemischte Wohnbebauu­ng eines Teils der Buckower Felder mit Geschoss-, Reihen- und Einzelhäus­ern mit insgesamt 450 Wohneinhei­ten. Auch hier ging es den Gegnern um zu bewahrende »gewachsene Strukturen« und allgemeine Belange des Natur- und Umweltschu­tzes. Die Liste der umstritten­en Neubauvorh­aben lässt sich fortsetzen: Es geht unter anderem um die den ehemaligen Truppenübu­ngsplatz Parks Range in Lichterfel­de-Süd, den Thälmann-Park in Friedrichs­hain und das Areal der möglicher weise bald geschlosse­nen Jugendverk­ehrsschule in Moabit.

 ?? Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka ?? Ein Beispiel für Protest: Auf dem Tempelhofe­r Feld soll nie gebaut werden, entschiede­n die Berliner in einem Volksentsc­heid.
Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka Ein Beispiel für Protest: Auf dem Tempelhofe­r Feld soll nie gebaut werden, entschiede­n die Berliner in einem Volksentsc­heid.

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