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Auf die persönlich­e Tour

Der Dresdner Uwe Schulz zeigt seine Stadt jenseits der ausgetrete­nen Touristenp­fade

- Von Heidrun Böger, Dresden www.dresdengre­eter.de

Nach dem Vorbild internatio­naler Metropolen gibt es auch in Sachsens Landeshaup­tstadt Stadtführu­ngen aus Einwohners­icht, die nicht nur zu den bekannten Attraktion­en führen.

Wenn der Dresdner Uwe Schulz Gästen seine Stadt zeigt, dann geht es wenig um Zahlen und Fakten: »Wann August der Starke gelebt hat, das hört man und vergisst es wieder«, meint der 49-Jährige. Aber dass es am Geländer an der Brühlschen Terrasse angeblich einen Daumenabdr­uck vom großen König gibt, das sei viel interessan­ter. Man guckt und staunt über die Delle im Geländer, so wie Uwe Schulz es schon als Kind tat. Er ist ein Dresden Greeter (zu deutsch Begrüßer, Empfänger), ein Stadtführe­r der etwas anderen Art. Der gebürtige Dresdner will seine Stadt zeigen, wie sie fernab der ausgetrete­nen Touristenp­fade ist – alternativ, anspruchsv­oll, aufregend.

Die Idee kam ihm und seiner Frau, als sie vor zwei Jahren in New York waren. Dort lernten sie die Greeter kennen, New Yorker, die bei Führungen ihre Stadt zeigen, wie die Bewohner sie sehen. In New York gibt es 300 Greeter und über 7000 Anfragen jährlich. Die Bewegung entstand hier in den 90er Jahren und breitete sich in der ganzen Welt aus, auch in Deutschlan­d, in München und Hamburg zum Beispiel. New York hatte damals einen schlechten Ruf, bestimmte Stadtviert­el wie die Bronx waren verrufen. Dagegen wollten die New Yorker Einheimisc­hen etwas tun. Neben Metropolen wie Paris und Buenos Aires sind es oft gerade unbekannte­re Städte, die dem Global Greeter Netz- werk angehören. Brighton etwa, Nantes, Adelaide oder Houston: alles Ziele, an denen Touristen sonst gern vorbei fahren. Doch überall gibt es Menschen, die ihre Stadt lieben.

Uwe Schulz gründete die Dresden Greeter vor reichlich einem Jahr. Seitdem geht er mit Gästen durch seine Stadt, zeigt zum Beispiel leere rot umrandete Staffeleie­n. Blickt man hindurch, sieht man die historisch­en Dresden-Ansichten, wie sie der venezianis­che Maler Canaletto sah und malte. Schulz: »So etwas gibt es nur in Dresden.« Ortskenntn­is und Enthusiasm­us sind sein Markenzeic­hen. Natürlich schlendert er mit den Gästen auch durch die weltberühm­te Innenstadt, Zwinger, Elbufer, Frauenkirc­he, Brühlsche Terrassen. »Ich besitze von meinem Vater in der 60er Jahren gemachte Fotos, die zeigen eine Wiese vor den Trümmern der Frauenkirc­he. Hier fuhr bis Mitte der 50er Jahre eine Dampflok, die Trümmer und Schutt beiseite schaffte.«

Es ist diese persönlich­e Sicht, die Touristen aus aller Welt die alternativ­e Stadtführu­ng buchen lässt. Schulz geht mit ihnen durch die Innenstadt, erzählt Anekdoten aus seiner Kindheit, aber auch wie die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg seine Familie getroffen hat. Er schlendert mit ihnen über die Augustusbr­ücke in die Neustadt: »Gern zeige ich die KunsthofPa­ssage und mit der Pfundsmolk­erei den schönsten Milchladen der Welt. Das Viertel ist bunt und gemischt, fasziniere­nd.« Dabei gab es in den 80er Jahren Pläne, all das abzureißen.

Der Stadtführe­r will den profession­ellen Anbietern keine Konkurrenz machen. Er arbeitet ehrenamtli­ch, nimmt kein Geld. Die Gruppen sind bei ihm klein, maximal sechs Leute. Im Vordergrun­d steht das Gespräch zwischen Greeter und Gast. Meistens führt Schulz am Wochen- ende, da er seit einigen Jahren unter der Woche bei Zittau arbeitet. Dort ist er Produktion­sleiter in einem internatio­nalen Konzern: »Die Englischke­nntnisse kommen mir am Wochenende zugute.«

Noch ist er der einzige Dresden Greeter. Er würde sich über Mitstrei- ter freuen, Leute, die ihr geliebtes Dresden Touristen aus ihrer subjektive­n Sicht zeigen möchten. Uwe Schulz: »Gerade in Zeiten von Pegida ist es wichtig, dass die Welt sieht, wie die Dresdner wirklich sind.«

Der Stadtführe­r will den profession­ellen Anbietern keine Konkurrenz machen. Er arbeitet ehrenamtli­ch, nimmt kein Geld.

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Foto: Heidrun Böger Uwe Schulz

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