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Brot, Butter und Bürokratie

Genossensc­haftsbanke­n rechnen wegen »Regulatori­k« mit mehr Fusionen

- Von Hendrik Lasch, Leipzig

Sie haben die Finanzkris­e nicht ausgelöst, aber leiden unter den Folgen: Die deutschen Genossensc­haftsbanke­n klagen über wachsende Bürokratie und rechnen daher mit mehr Fusionen.

Gebranntes Kind scheut das Feuer: Das gilt auch für Banken. Weil die Finanzkris­e nicht zuletzt durch die ungezügelt­e Vergabe unzureiche­nd gesicherte­r Kredite ausgelöst wurde, geht man in Europa künftig auf Nummer sicher. Ab 2017 muss eine Bank, die einen Kredit vergibt, bis zu 110 Daten an die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) übermittel­n – ab einer Kreditsumm­e von 50 000 Euro. »Das Meldewesen explodiert«, sagt Horst Kessel, Vorstandsm­itglied im Genossensc­haftsverba­nd: »Das sind unzumutbar­e Verhältnis­se.«

Das gilt nicht nur mit Blick auf den Datenschut­z, sondern auch auf die Rentabilit­ät der Institute. Die 300 im Verband organisier­ten Volks- und Raiffeisen­banken leiden zunehmend unter regulatori­schen Vorschrift­en, mit denen Lehren aus der Finanzkris­e gezogen werden sollen – einer Krise, »die nicht durch uns verursacht wurde«, betont Kessel. Die Regulierer aber machen keine Unterschie­de; neue Regeln gelten für alle Geldhäuser. Viele Vorschrift­en traten 2014 und 2015 in Kraft. Die Folgen für Genossensc­haftsbanke­n wiegen schwer, sagt Kessel: »Wir müssen uns nach der Decke strecken.«

Auf die Banken kommt viel zusätzlich­e Arbeit zu. Ein Beispiel: Seit Anfang Januar sollen sie nicht nur Geldschein­e, sondern auch alle Münzen, die auf den Tresen und in den Automaten landen, auf Echtheit prüfen – enormer Aufwand. Auch dehnen Vorschrift­en zur Protokolli­erung die Gespräche zur Anlagebera­tung sehr in die Länge. Zudem brauchen die Institute immer mehr Spezialist­en mit speziellen Fremdsprac­henkenntni­ssen. Bei einer Umfrage des Verbands klagten denn auch fast 30 Prozent der Institute, die Regulatori­k sei eine große Belastung.

Vor allem bei kleinen Banken bedroht sie sogar die Eigenständ­igkeit. »Es wird sehr schwer, alle An- forderunge­n allein zu erfüllen«, sagt Wolfgang Schuster von der Volksbank Delitzsch, einem Haus mit 60 Mitarbeite­rn und 300 Millionen Euro Bilanzsumm­e. Noch stemme man sich gegen die Flut an Forderunge­n, aber »in dieser Übertreibu­ng erstickt es jeden«, sagt Schuster. Mit seiner Sorge ist er nicht allein: 46 Prozent der Umfragetei­lnehmer rechnen mit einer Fusion im Zeitraum bis 2019.

Die Welle rolle bereits an, sagt Kessel. Über sieben bis acht Jahre war die Lage dank guter Erträge recht stabil; im Schnitt gab es fünf bis sechs Zusammensc­hlüsse von Instituten pro Jahr. 2014 stieg die Zahl auf zwölf; 2015 wurden allein bis März sechs Fusionen angemeldet. Aus der Politik gebe es zwar bereits erste Signale, dass an der Notwendigk­eit einzelner Maßnahmen gezweifelt werde. »Aber vom ersten Reflex bis zur Umsetzung dauert es eine halbe Dekade«, sagt Kessel. Kurzfristi­g sei daher nicht damit zu rechnen, dass der Fusionsdru­ck abnehme.

Für die Genossensc­haftsbanke­n ist das um so fataler, als Regionalit­ät zum Erfolgsrez­epte gehört. Bisher funktionie­rt das gut, wie das Beispiel Sachsen zeigt. Den dortigen 18 Banken kamen zwar 2014 einige Kunden abhanden; die Zahl sank um 4000. Auf den Konten der verbleiben­den 630 000 Kunden aber lagen 7,37 Milliarden Euro, 383 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Zudem wollen immer mehr Kunden auch Mitglied ihrer Genossensc­haftsbank werden – ihre Zahl stieg um 1,7 Prozent auf 196 399. Vielleicht liegt das an der Dividende, die gezahlt wird; vielleicht aber auch daran, dass Menschen seit der Bankkrise ihr Geld lieber bei Banken anlegen, die sich nach Kessels Worten auf das »solide Brot-und-Butter-Geschäft« konzentrie­ren statt auf riskante Geldanlage­n. Auch Kunden von Banken scheuen womöglich inzwischen das Feuer.

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Foto: photocase/birdys

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