Die Energiewende verschlafen
RWE-Chef fordert Subventionen durch Kapazitätsmärkte
Peter Terium redet die RWE-Bilanz schön. Dabei sinken Investitionen, Gewinn und Mitarbeiterzahl. Greenpeace sieht die Energiekonzerne grundsätzlich gefährdet, weil sie die Energiewende ignorierten.
Sie wären ein Bruch mit der bisherigen, zwar längst erodierenden, doch immer noch korporatistisch geprägten Unternehmenskultur: Betriebsbedingte Kündigungen sind beim Essener Energieriesen RWE nicht länger ausgeschlossen. Das sagte Konzernchef Peter Terium am Dienstag eher beiläufig auf der Bilanzpressekonferenz des Energieriesen für das gerade abgelaufene Geschäftsjahr 2014.
Dabei machte Terium in der Essener Konzernzentrale »deutliche Fortschritte« auf dem Weg zu einer angeblichen Gesundung des angeschlagenen Großunternehmens aus. »Wir haben alle unsere Ertragsziele erreicht«, betonte der gelernte Wirtschaftsprüfer. Immer wieder fielen in seiner Rede Satzfragmente wie »schneller« oder »besser als erwartet«. Als Erfolg wertete Terium sogar den (selbstredend »erfolgreich abgeschlossenen«) Verkauf der Gas-Tochter DEA an eine russische Investorengruppe, durch den etwa Großbritannien vor dem Hintergrund der geltenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland seine nationale Sicherheit gefährdet sieht. Ebenfalls lobend erwähnte Terium die Drosselung der Investitionen auf ein gutes Drittel binnen weniger Jahre. Selbst und ausgerechnet beim angeblich enorm wichtigen »Wachstumsmarkt« erneuerbare Energien übt sich RWE in Ausgabendisziplin.
»Was wir bislang erreicht haben, macht mich stolz«, schrieb der Konzernchef im Vorwort zum Geschäftsbericht 2014. Und er umschmeichelte gar seine Mitarbeiter: »Alle Erfolge haben wir gemeinsam erzielt.« Fast jeder zwölfte RWE-Arbeitsplatz fiel zwischen 2013 und 2014 dem Rotstift zum Opfer, die Zahl der Mitarbeiter sank von knapp 65 000 auf unter 60 000. Und RWE wird weiter schrumpfen: Terium kündete »um- fangreiche Maßnahmen zur Kostensenkung und Erlössteigerung« an, darunter auch weitere Investitionskürzungen.
Das »Effizienzziel« wurde um eine halbe Milliarde Euro erhöht – so viel will RWE künftig im Jahr mehr einsparen. Die Dividende war bereits 2013 von zwei auf einen Euro gekürzt worden. Auch der Gewinn sinkt weiter: Auf 1,3 Milliarden Euro nach Steuern und bereinigt um Sondereffekte. Dieses Ergebnis wird in diesem Jahr laut Terium wohl nicht stabil gehalten, sondern eher auf zwischen 1,1 und 1,3 Milliarden Euro fallen. Laut Medienberichten rechnet der Konzern für 2016 gar mit einem Rückgang auf 800 Millionen Euro.
Terium wetterte gegen die schwieriger gewordenen politischen Rahmenbedingungen und rote Zahlen bei konventionellen Kraftwerken wegen der Energiewende. Er forderte die Etablierung von Kapazitätsmärkten – also die staatliche Subventionierung nicht dauerhaft laufender Reservekraftwerke.
Dagegen sprach sich der Energieexperte der Umweltorganisation Greenpeace, Tobias Austrup, aus: »Der Steuerzahler soll nicht für die Managementfehler von vormals blendend verdienenden Konzernen aufkommen müssen.« Austrup forderte einen schrittweisen Kohleausstieg zum Schutz des Klimas.
Greenpeace stellte am Dienstag in Hamburg eine Studie zur »Zukunft der Deutschen Energieversorger« vor. Deren Autoren, die linken Ökonomen Heinz-J. Bontrup und Ralf-M. Marquardt zeichnen ein düsteres Bild der vier großen deutschen Energieversorger – neben RWE sind dies Vattenfall, E.on und ENBW. Die »Big4« hätten »stur an einem überkommenen Geschäftsmodell« festgehalten, statt auf erneuerbare Energien zu setzen, analysierte Bontrup. Ein »schwerer Managementfehler«, der sich nun räche. Längst stünden RWE und Co. schlagkräftige neue Konkurrenten gegenüber, derweil ihre Marktanteile sänken. Durch die »miserablen Geschäftsaussichten« der großen Energiekonzerne seien zudem deren Rückstellungen für den Rückbau stillgelegter AKW gefährdet.