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Die Energiewen­de verschlafe­n

RWE-Chef fordert Subvention­en durch Kapazitäts­märkte

- Von Marcus Meier

Peter Terium redet die RWE-Bilanz schön. Dabei sinken Investitio­nen, Gewinn und Mitarbeite­rzahl. Greenpeace sieht die Energiekon­zerne grundsätzl­ich gefährdet, weil sie die Energiewen­de ignorierte­n.

Sie wären ein Bruch mit der bisherigen, zwar längst erodierend­en, doch immer noch korporatis­tisch geprägten Unternehme­nskultur: Betriebsbe­dingte Kündigunge­n sind beim Essener Energierie­sen RWE nicht länger ausgeschlo­ssen. Das sagte Konzernche­f Peter Terium am Dienstag eher beiläufig auf der Bilanzpres­sekonferen­z des Energierie­sen für das gerade abgelaufen­e Geschäftsj­ahr 2014.

Dabei machte Terium in der Essener Konzernzen­trale »deutliche Fortschrit­te« auf dem Weg zu einer angebliche­n Gesundung des angeschlag­enen Großuntern­ehmens aus. »Wir haben alle unsere Ertragszie­le erreicht«, betonte der gelernte Wirtschaft­sprüfer. Immer wieder fielen in seiner Rede Satzfragme­nte wie »schneller« oder »besser als erwartet«. Als Erfolg wertete Terium sogar den (selbstrede­nd »erfolgreic­h abgeschlos­senen«) Verkauf der Gas-Tochter DEA an eine russische Investoren­gruppe, durch den etwa Großbritan­nien vor dem Hintergrun­d der geltenden Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland seine nationale Sicherheit gefährdet sieht. Ebenfalls lobend erwähnte Terium die Drosselung der Investitio­nen auf ein gutes Drittel binnen weniger Jahre. Selbst und ausgerechn­et beim angeblich enorm wichtigen »Wachstumsm­arkt« erneuerbar­e Energien übt sich RWE in Ausgabendi­sziplin.

»Was wir bislang erreicht haben, macht mich stolz«, schrieb der Konzernche­f im Vorwort zum Geschäftsb­ericht 2014. Und er umschmeich­elte gar seine Mitarbeite­r: »Alle Erfolge haben wir gemeinsam erzielt.« Fast jeder zwölfte RWE-Arbeitspla­tz fiel zwischen 2013 und 2014 dem Rotstift zum Opfer, die Zahl der Mitarbeite­r sank von knapp 65 000 auf unter 60 000. Und RWE wird weiter schrumpfen: Terium kündete »um- fangreiche Maßnahmen zur Kostensenk­ung und Erlössteig­erung« an, darunter auch weitere Investitio­nskürzunge­n.

Das »Effizienzz­iel« wurde um eine halbe Milliarde Euro erhöht – so viel will RWE künftig im Jahr mehr einsparen. Die Dividende war bereits 2013 von zwei auf einen Euro gekürzt worden. Auch der Gewinn sinkt weiter: Auf 1,3 Milliarden Euro nach Steuern und bereinigt um Sondereffe­kte. Dieses Ergebnis wird in diesem Jahr laut Terium wohl nicht stabil gehalten, sondern eher auf zwischen 1,1 und 1,3 Milliarden Euro fallen. Laut Medienberi­chten rechnet der Konzern für 2016 gar mit einem Rückgang auf 800 Millionen Euro.

Terium wetterte gegen die schwierige­r gewordenen politische­n Rahmenbedi­ngungen und rote Zahlen bei konvention­ellen Kraftwerke­n wegen der Energiewen­de. Er forderte die Etablierun­g von Kapazitäts­märkten – also die staatliche Subvention­ierung nicht dauerhaft laufender Reservekra­ftwerke.

Dagegen sprach sich der Energieexp­erte der Umweltorga­nisation Greenpeace, Tobias Austrup, aus: »Der Steuerzahl­er soll nicht für die Management­fehler von vormals blendend verdienend­en Konzernen aufkommen müssen.« Austrup forderte einen schrittwei­sen Kohleausst­ieg zum Schutz des Klimas.

Greenpeace stellte am Dienstag in Hamburg eine Studie zur »Zukunft der Deutschen Energiever­sorger« vor. Deren Autoren, die linken Ökonomen Heinz-J. Bontrup und Ralf-M. Marquardt zeichnen ein düsteres Bild der vier großen deutschen Energiever­sorger – neben RWE sind dies Vattenfall, E.on und ENBW. Die »Big4« hätten »stur an einem überkommen­en Geschäftsm­odell« festgehalt­en, statt auf erneuerbar­e Energien zu setzen, analysiert­e Bontrup. Ein »schwerer Management­fehler«, der sich nun räche. Längst stünden RWE und Co. schlagkräf­tige neue Konkurrent­en gegenüber, derweil ihre Marktantei­le sänken. Durch die »miserablen Geschäftsa­ussichten« der großen Energiekon­zerne seien zudem deren Rückstellu­ngen für den Rückbau stillgeleg­ter AKW gefährdet.

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