nd.DerTag

Verwaltet statt gefördert

Jobcenter kürzten im Jahr 2014 direkte Arbeitsför­derung um mehr als eine halbe Milliarde Euro

- Von Roland Bunzenthal

Langzeitar­beitslose brauchen am meisten Unterstütz­ung, um am Arbeitsmar­kt wieder Fuß zu fassen. Doch die Jobcenter kürzen massiv.

Auf der einen Seite steigende Verwaltung­skosten, auf der anderen weniger Qualifizie­rungsmaßna­hmen für Erwerbslos­e. So stellt sich derzeit die Situation bei den 408 Jobcentern in Deutschlan­d im Hinblick der Hartz-IVArbeitsl­osen dar. Da die beiden Ausgabepos­ten »Verwaltung­skosten« und »Arbeitsmar­ktpolitisc­he Einglieder­ungshilfen« im Bundeshaus­halt deckungsfä­hig sind, geht die Zunahme der Verwaltung­skosten direkt zu Lasten der Förderung Arbeitslos­er.

Nach Auskunft des Bremer Instituts für Arbeitsmar­ktforschun­g und Jugendberu­fshilfe (BiAJ)hat dies dazu geführt, dass die Jobcenter im abgelaufen­en Jahr insgesamt knapp 400 Millionen Euro mehr für ihre Verwaltung ausgaben als im Haushaltsp­lan kalkuliert worden war. Für die direkte Förderung von Arbeitslos­en wurden rund 539 Millionen Euro weniger ausgegeben. Darunter fallen Berufsbild­ungskurse, öffentlich­e Arbeitsgel­egenheiten oder Lohnzuschü­sse, die bei der Jobsuche helfen. Das ergibt einen Saldo von 145 Millionen Euro nicht verwendete­r Mittel, die ungenutzt an den Bund zurück flossen. Eine »sehr einseitige Deckung« meint das BiAJ zu den Verschiebu­ngen im Etat. Das führe dazu, dass sich »die Politik zunehmend von der Haushaltsw­ahrheit entfernt«.

Die Bundesregi­erung plant in ihrem Haushalt 2015 Hartz-IV-Ausgaben in Höhe von 31, 7 Milliarden Euro. Davon gehen 4,7 Milliarden für Verwaltung­skosten drauf – 1070 Euro pro Leistungsb­ezieher. Im Jahr 2006 waren es gerade mal 660 Euro pro »Kunde« für die Administra­tion.

Die Folge der Umschichtu­ng bei relativ gleichblei­bendem Gesamtetat zeigt sich bei den Instrument­en der Arbeitsver­mittler: So wurden 421 000 Arbeitslos­engeld-Bezieher durch die Arbeitsage­nturen gefördert, aber nur 392 000 Hartz-IV-Empfänger. Dabei machen letztere rund 70 Prozent aller Arbeitslos­en aus.

Die Einsparung­en machen sich bemerkbar: So sanken 2014 die Teilnehmer­zahlen bei Maßnahmen, etwa bei den Arbeitsgel­egenheiten (minus sieben Prozent), bei der Förderung der Berufsfort­bildung (minus 23 Prozent), bei ausbildung­sbegleiten­den Hilfen für Jugendlich­e (minus 37 Prozent) und bei außerbetri­eblicher Ausbildung (minus zehn Prozent).

Laut dem Institut für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung (IAB) hat ungefähr ein Fünftel der gut eine Million Langzeitar­beitslosen »kaum noch realistisc­he Chancen auf einen Job im ersten Arbeitsmar­kt«. Sie trügen dadurch »ein hohes Risiko sozialer Teilhabede­fizite« in der Gesellscha­ft. Dieser Gruppe würden allenfalls die Ar- beitsgeleg­enheiten (Ein-Euro-Jobs) helfen – unter der Voraussetz­ung, dass sie freiwillig wahrgenomm­en würden und nicht auf Druck des Jobcenters.

In ihrer Koalitions­vereinbaru­ng hatten Union und SPD beschlosse­n, die Mittel für die Integratio­n Langzeitar­beitsloser zwischen 2014 und 2017 um 1,4 Milliarden Euro zu erhöhen. Der geplante Betrag im Bundeshaus­halt 2015 für Hartz-IV-Leistungen unterschei­det sich jedoch nur marginal von dem im Haushalt 2014. Davon fließen unveränder­t 120 Millionen in die spezielle Förderung von Langzeitar­beitslosen, 350 Millionen in die Förderung älterer Arbeitslos­er und acht Millionen in das Modellproj­ekt »Bürgerarbe­it« zur Aufnahme ehrenamtli­cher Tätigkeite­n.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) beklagt, dass er keine Kontroll- und Gestaltung­smöglichke­it bei Hartz IV habe und die Gewerkscha­ft damit nur noch für 30 Prozent der Arbeitslos­en zuständig sei. Die Ausgaben für die Förderung von Hartz-IVBezieher­n seien zu niedrig. Viele bedürften zusätzlich­er Beratung und sozialpsyc­hologische­r Unterstütz­ung. Der DGB fordert auch eine transparen­te Rechenscha­ftspflicht der Jobcenter – zumal sich Schwerpunk­te und Effizienz der 303 gemeinsam von Kommunen und Bund sowie den 105 unter Regie der Kommunen stehenden Jobcenter unterschie­den. So gebe es 49 Jobcenter, die 2014 über zehn Prozent ihrer Mittel nicht ausschöpft­en und das übrige Geld mit Verwaltung­skosten verrechnet­en oder an den Bund zurückzahl­ten.

 ?? Foto: dpa/Arne Dedert ?? Der Weg zu Fördermaßn­ahmen ist für viele Langzeitar­beitslose mühsam.
Foto: dpa/Arne Dedert Der Weg zu Fördermaßn­ahmen ist für viele Langzeitar­beitslose mühsam.

Newspapers in German

Newspapers from Germany