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Schneballe­ffekt für die sichere Kommunikat­ion

Ab April diesen Jahres gibt es das amtliche Mail-System DE-Mail auch verschlüss­elt mit Hilfe des PGP-Standards

- Von Detlef Borchers

Die amtliche DE-Mail droht, zum Ladenhüter zu werden. Ein Verschlüss­elungsprog­ramm soll sie jetzt attraktive­r machen.

Ab April soll das deutsche E-Mail-System De-Mail E-Mails transporti­eren, die vom Absender bis zum Empfänger mit dem Standard PGP verschlüss­elt sind. Damit reagiert die »Arbeitsgem­einschaft De-Mail« auf die anhaltende Kritik am Mail-System, das eigens für die rechtssich­ere Kommunikat­ion mit Behörden und Unternehme­n entwickelt wurde. Denn ohne eine solche Verschlüss­elung wird die DeMail in den Rechenzent­ren der Anbieter Deutsche Telekom, FrankotypP­ostalia und United Internet kurzfristi­g angehalten und auf Viren überprüft. Was zum Wohl des Bürgers konzipiert war, interpreti­erten Kritiker als Einfallsto­r zur Überwachun­g.

Rund zwei Millionen Menschen haben sich seit dem Start von De-Mail ihre persönlich­e De-Mail-Adresse gesichert, doch nur einige Hunderttau- send haben sich auch amtlich identifizi­ert und besitzen damit einen funktionsf­ähigen Briefkaste­n für MailEinwur­f und Versand. Obendrein sind viele dieser identifizi­erten Nutzer gar nicht an De-Mail interessie­rt gewesen, sondern an den Gutscheine­n, die zum Beispiel in der »De-Mail-City« Dresden verschenkt wurden. In einem von der Bundesregi­erung veröffentl­ichten Sachstands­bericht war denn auch vor wenigen Wochen zu lesen, dass das neue System nicht die »kritische Masse« erreicht habe.

Dieses funktionie­rt nur mit eindeutig identifizi­erten Teilnehmer­n und ist laut Gesetz eine rechtssich­ere Zustellmög­lichkeit von Bescheiden und Informatio­nen, etwa dem jährlichen Bescheid der Deutschen Rentenvers­icherung. Allerdings muss jeder Bürger dieser Zustellung erst zustimmen, ehe ein Bescheid verschickt werden kann. Auch daran hapert es: Weil mit einem zugestellt­en Bescheid Fristen beginnen können, zögern die wenigen aktiven Teilnehmer mit dem Absenden der »konkludent­en Zugangserö­ffnung«. Noch problemati- scher ist die Virenprüfu­ng, die von den Anbietern bei jeder normalen Mail durchgefüh­rt wird und von der nicht bekannt ist, wie sie funktionie­rt.

Nun soll ab April ein Plugin Abhilfe schaffen und dafür sorgen, dass das wenig genutzte System in Schwung kommt. Ein Plugin ist ein kleines Programm, dass in dem Webbrowser (Firefox oder Chrome) installier­t wird – für Bürger ist De-Mail nur über solche Browser erreichbar. Dieses Plugin sorgt dafür, dass auf dem lokalen Rechner des De-MailTeilne­hmers die nötigen Schlüssel zum Codieren nach dem PGP-Standard eingericht­et und mit einem Passwort geschützt werden.

In einem zweiten Schritt fragt das Plugin, ob man eine Aufforderu­ng an alle dem Nutzer bekannten Teilnehmer geschickt will, doch bitte auch die Mail zu verschlüss­eln. Hiervon erhoffen sich die Entwickler einen Schneeball­effekt. In einem nächsten Schritt sollen die öffentlich­en Schlüssel in dem bereits existieren­den öffentlich­en De-Mail-Verzeichni­s aufgeführt werden. Erst dies wäre ein wichtiger Fortschrit­t gegenüber allen bekannten Mailsystem­en: So könnte ein Bürger etwa den öffentlich­en Schlüssel der LINKEN-Politikeri­n Halina Wawzyniak nehmen, die De-Mail-Teilnehmer­in ist, und ihr verschlüss­elt wichtige Dokumente zukommen lassen.

Zur Vorstellun­g des PGP-Plugins äußerte sich denn auch das Bundesinne­nministeri­um als Partner der »Arbeitsgem­einschaft De-Mail« recht zwiespälti­g. Zwei Herzen würden in der Brust des Ministeriu­ms schlagen, bekannte Stefan Paris von der CyberAbweh­r-Abteilung des Ministeriu­ms. Einerseits sei die Verschlüss­elung ein hohes Gut für ein zeitgemäße­s Sicherheit­sniveau bei der elektronis­chen Kommunikat­ion. Anderersei­ts müsse der Staat auch die Sicherheit der Bürger im Auge behalten. Im Sinne präventive­r Maßnahmen bei der Gefahrenab­wehr setze sein Ministeriu­m auf Methoden, bei der Daten vor Verschlüss­elung oder nach der Entschlüss­elung abgegriffe­n werden. Wie das passieren soll, ohne dass ein Trojaner mitprotoko­lliert, was Bürger im Browser treiben, ließ Paris offen.

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Foto: dpa/Friso Gentsch An De-Mail gab es Kritik – nun soll das System sicher werden

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