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Keine Krawalle in Karlsruhe

Ralf Rangnick fordert Gefängniss­trafen, obwohl Leipzigs Teamhotel nicht gestürmt wurde

- Von Christoph Ruf, Karlsruhe

Sehr viel mehr Aufregung als das torlose Remis im Montagspie­l der 2. Bundesliga zwischen Karlsruhe und RB Leipzig brachte das Drumherum. Zu viel, wie sich herausstel­lte.

Das Fazit, das die Pressespre­cherin der Karlsruher Polizei am Dienstag Nachmittag zog, passt nicht so recht zu den teils wilden Schlagzeil­en, die manche Boulevardm­edien seit Montagnach­t veröffentl­ichten: »Es ist weder zu Körperverl­etzungen gekommen, noch ist Sachschade­n entstanden«, sagt Sabine Doll. Auch die Kollegen im pfälzische­n Landau seien überrascht über die Berichters­tattung: »Dass da ein Hotel gestürmt wurde, stimmt jedenfalls nicht.« Doch selbst wenn man manchen medialen Exzess vielleicht doch nicht ganz so ernstnehme­n sollte – den Spielern und Offizielle­n von RB Leipzig dürfte der 24. Spieltag ein wenig länger in Erinnerung bleiben als es ein 0:0 rechtferti­gen würde.

So konnte RB-Sportdirek­tor Ralf Rangnick erst eine halbe Stunde vor Mitternach­t in seinem Auto den Park- platz vor der Karlsruher Haupttribü­ne verlassen. Auch der Mannschaft­sbus der Gäste rollte zu diesem Zeitpunkt leicht verspätet von dannen, nachdem ein Farbbeutel in Richtung Parkplatz geschleude­rt worden war. Der Hintergrun­d der Blockade durch Karlsruher Fans stellte sich am Dienstag heraus: KSC-Spieler Philipp Max hatte nach dem Spiel sein Trikot mit dem Leipziger Kollegen Diego Demme getauscht. Erst als der Trikottaus­ch wieder rückgängig gemacht wurde, beruhigte sich die Lage und der Bus konnte losfahren.

Für die Leipziger hatte der Ausflug in den Südwesten schon schlecht begonnen. Im Mannschaft­shotel im südpfälzis­chen Herxheim waren am Montagnach­mittag rund 20 Karlsruher Anhänger erschienen. Fraglos eine bewusste Drohkuliss­e. »Glückliche­rweise waren die Spieler da auf ihrem Zimmer«, erklärte RB-Sportdirek­tor Ralf Rangnick, der selbst erst zehn Minuten nach dem Verschwind­en der KSC-Anhänger im Hotel angekommen war. Bevor die vom Hotelier angeforder­te Polizei erschien, waren die Karlsruher schon wieder verschwund­en. Offenbar wild flu- chend, aber ohne irgendetwa­s zerstört zu haben.

Es gehe bei der Beurteilun­g der Aktion auch gar nicht darum, ob jemand verletzt worden sei, findet Rangnick. »Wenn die Spieler beim Essen gewesen wären, weiß ich nicht, was dann passiert wäre. Wenn wir so weit sind, dass man sich nicht mal mehr im Hotel sicher fühlen kann sind wir weit gekommen«, sagte Rangnick, und forderte, man müsse auch über Gefängniss­trafen nachdenken. Was im Zivilleben als Volksverhe­tzung gelte, werde im Ligabetrie­b oft genug abgetan: »Da heißt es dann: So ist das halt im Fußball.« Auch Rangnick selbst war während des Spiels unflätig beschimpft worden.

RasenBalls­port Leipzig ist seit seiner Gründung im Jahr 2009 Zielscheib­e einer grundsätzl­ichen Kommerzial­isierungsk­ritik im deutschen Fußball, die von Großteilen der regelmäßig­en Stadiongän­ger – und von der Quasi-Gesamtheit der Ultraszene­n – geteilt wird. Dass der RedBull-Konzern mit immensen Finanzmitt­eln versucht, möglichst schnell ins internatio­nale Geschäft zu kommen, halten die Anhänger der Tradi- tionsverei­ne mehrheitli­ch für einen Bruch mit dem von ihnen hochgehalt­enen »Volkssport.« So weitverbre­itet diese Sicht der Dinge ist – viele Ultras distanzier­ten sich am Dienstag hinter vorgehalte­ner Hand von den Karlsruher Aktionen. Beschimpfu­ngen wie »Hurensohn« seien »peinlich« und »dumm«. In Leipzig findet man die Anfeindung­en sowieso ignorant. Dort verweist man auf die breite Akzeptanz bei der Bevölkerun­g. Tatsächlic­h hat RB mit über 25 000 Fans einen deutlich besseren Zuschauers­chnitt als viele »Traditions­vereine« in der Zweiten Liga.

Volker Körenzig, Fanprojekt­leiter in Karlsruhe, findet die Aufregung der Leipziger Kluboffizi­ellen dennoch übertriebe­n: »Auch mir gefällt es nicht, wenn ich beleidigt werde. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, deswegen Gefängniss­trafen zu fordern.« Für Körenzig zeigt die ganze Aufregung dann auch vor allem, dass sich die Berichters­tattung im Fußball ins Hysterisch­e verlagert habe: »Es reicht heute ein Zitat oder ein Gerücht und schon landet ein Zweitligas­piel auf Seite eins der BILD-Zeitung.«

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Foto: imago/Picture Point Für die KSC-Fans kam mit Leipzig die »Bullenseuc­he« nach Karlsruhe. Mit Mundschutz protestier­ten sie gegen RB, ein Hotel stürmten sie aber nicht.

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