Keine Krawalle in Karlsruhe
Ralf Rangnick fordert Gefängnisstrafen, obwohl Leipzigs Teamhotel nicht gestürmt wurde
Sehr viel mehr Aufregung als das torlose Remis im Montagspiel der 2. Bundesliga zwischen Karlsruhe und RB Leipzig brachte das Drumherum. Zu viel, wie sich herausstellte.
Das Fazit, das die Pressesprecherin der Karlsruher Polizei am Dienstag Nachmittag zog, passt nicht so recht zu den teils wilden Schlagzeilen, die manche Boulevardmedien seit Montagnacht veröffentlichten: »Es ist weder zu Körperverletzungen gekommen, noch ist Sachschaden entstanden«, sagt Sabine Doll. Auch die Kollegen im pfälzischen Landau seien überrascht über die Berichterstattung: »Dass da ein Hotel gestürmt wurde, stimmt jedenfalls nicht.« Doch selbst wenn man manchen medialen Exzess vielleicht doch nicht ganz so ernstnehmen sollte – den Spielern und Offiziellen von RB Leipzig dürfte der 24. Spieltag ein wenig länger in Erinnerung bleiben als es ein 0:0 rechtfertigen würde.
So konnte RB-Sportdirektor Ralf Rangnick erst eine halbe Stunde vor Mitternacht in seinem Auto den Park- platz vor der Karlsruher Haupttribüne verlassen. Auch der Mannschaftsbus der Gäste rollte zu diesem Zeitpunkt leicht verspätet von dannen, nachdem ein Farbbeutel in Richtung Parkplatz geschleudert worden war. Der Hintergrund der Blockade durch Karlsruher Fans stellte sich am Dienstag heraus: KSC-Spieler Philipp Max hatte nach dem Spiel sein Trikot mit dem Leipziger Kollegen Diego Demme getauscht. Erst als der Trikottausch wieder rückgängig gemacht wurde, beruhigte sich die Lage und der Bus konnte losfahren.
Für die Leipziger hatte der Ausflug in den Südwesten schon schlecht begonnen. Im Mannschaftshotel im südpfälzischen Herxheim waren am Montagnachmittag rund 20 Karlsruher Anhänger erschienen. Fraglos eine bewusste Drohkulisse. »Glücklicherweise waren die Spieler da auf ihrem Zimmer«, erklärte RB-Sportdirektor Ralf Rangnick, der selbst erst zehn Minuten nach dem Verschwinden der KSC-Anhänger im Hotel angekommen war. Bevor die vom Hotelier angeforderte Polizei erschien, waren die Karlsruher schon wieder verschwunden. Offenbar wild flu- chend, aber ohne irgendetwas zerstört zu haben.
Es gehe bei der Beurteilung der Aktion auch gar nicht darum, ob jemand verletzt worden sei, findet Rangnick. »Wenn die Spieler beim Essen gewesen wären, weiß ich nicht, was dann passiert wäre. Wenn wir so weit sind, dass man sich nicht mal mehr im Hotel sicher fühlen kann sind wir weit gekommen«, sagte Rangnick, und forderte, man müsse auch über Gefängnisstrafen nachdenken. Was im Zivilleben als Volksverhetzung gelte, werde im Ligabetrieb oft genug abgetan: »Da heißt es dann: So ist das halt im Fußball.« Auch Rangnick selbst war während des Spiels unflätig beschimpft worden.
RasenBallsport Leipzig ist seit seiner Gründung im Jahr 2009 Zielscheibe einer grundsätzlichen Kommerzialisierungskritik im deutschen Fußball, die von Großteilen der regelmäßigen Stadiongänger – und von der Quasi-Gesamtheit der Ultraszenen – geteilt wird. Dass der RedBull-Konzern mit immensen Finanzmitteln versucht, möglichst schnell ins internationale Geschäft zu kommen, halten die Anhänger der Tradi- tionsvereine mehrheitlich für einen Bruch mit dem von ihnen hochgehaltenen »Volkssport.« So weitverbreitet diese Sicht der Dinge ist – viele Ultras distanzierten sich am Dienstag hinter vorgehaltener Hand von den Karlsruher Aktionen. Beschimpfungen wie »Hurensohn« seien »peinlich« und »dumm«. In Leipzig findet man die Anfeindungen sowieso ignorant. Dort verweist man auf die breite Akzeptanz bei der Bevölkerung. Tatsächlich hat RB mit über 25 000 Fans einen deutlich besseren Zuschauerschnitt als viele »Traditionsvereine« in der Zweiten Liga.
Volker Körenzig, Fanprojektleiter in Karlsruhe, findet die Aufregung der Leipziger Kluboffiziellen dennoch übertrieben: »Auch mir gefällt es nicht, wenn ich beleidigt werde. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, deswegen Gefängnisstrafen zu fordern.« Für Körenzig zeigt die ganze Aufregung dann auch vor allem, dass sich die Berichterstattung im Fußball ins Hysterische verlagert habe: »Es reicht heute ein Zitat oder ein Gerücht und schon landet ein Zweitligaspiel auf Seite eins der BILD-Zeitung.«