»Mir is heute so posthum zumut«
Jochen Trebesch glänzt mit drei neuen Autorenbildnissen
Die Klammer, die die in diesem Band vereinigten Autoren zusammenhält, ist, wenngleich von Jochen Trebesch so kaum intendiert, hintergründig vorhanden: Alle drei sind durch sorglosen Umgang mit Geld und dadurch bedingte pekuniäre Verlegenheiten, aber auch durch übermäßigen Konsum von Medikamenten und Alkohol sowie unterschiedlich ausgeprägte Launenhaftigkeiten miteinander verbunden. Ingeborg Bachmann teilt darüber hinaus mit dem iranischen Autor Sadeq Hedayat ein tragisches Lebensende. Überdies könnten sich alle drei im Dortseits jenes hübsche Bonmot Arno Schmidts zu eigen machen, wonach ihnen »posthum zumut« sei. Der Bachmann-Essay setzt im Wesentlichen zwei Schwerpunkte: Bachmann in Rom und ihre Ehe mit Max Frisch, eine mariage fou, die zum Bodensatz z. B. ihres Romans »Malina« geriet. Trebesch fügt dem ewig unvollendeten Bild der »Ikone« Bachmann einige kluge Pinselstriche hinzu, wohl wissend, dass »es ein stimmiges Bild Ingeborg Bachmanns nicht geben kann«.
Im deutschen Sprachraum weitgehend unbekannt sind die Werke des »Pioniers der persischen Literatur« Sadeq Heday- at, die zu lesen gerade heute sich anböte, steht er doch wie kaum ein anderer dafür, dass es auch in der islamisch geprägten Welt nicht nur religiöse Betonköpfe und zelotische Betmaschinen gibt.
Hedayat sieht den kulturellen Niedergang Irans in Verbindung mit der Verbreitung des Islam, für ihn sprechen die »Wundertaten des Propheten« nur »Einfältige und Dumme« an. Zudem aber empfiehlt sich eine Lektüre seiner Bücher schon deshalb, weil sie in Iran und anderswo verboten sind, und allein dieser Umstand sollte eine geradezu massenhafte Verbreitung provozieren! Was beispielsweise in Iran in Form von Raubdrucken und Kopien auch geschieht. Der dritte in diesem Band veröffentlichte Text beschäftigt sich mit dem einstigen enfant terrible der deutschen Literatur, mit »dem um sich selbst kreisenden Isolationisten« Arno Schmidt, oder sogar mehr noch mit dessen bewundernswert leidensfähigem Mäzen und praktischem Zuarbeiter Wilhelm Michels, ohne den jener nie » tonangebende Literat seiner Zeit« (so das Schmidtsche Selbstbildnis) geworden wäre.
Es wäre falsch zu behaupten, an dem Ex-Diplomaten Jochen Trebesch sei ein Literaturwissenschaftler verloren gegangen. Dann nämlich hätte die Gefahr bestanden, irgendwelche staubtrockenen Forschungen nur mit hinreichenden Mengen an Flüssigkeit ertragen zu können. Der hoch belesene und eloquente, literaturbegeisterte und geradezu enzyklopädisch gebildete »Laie« Trebesch aber präsentiert im dritten Band seiner literarischen Essays Texte, die bei aller Bedeutsamkeit des Inhalts größte Leselust evozieren, ja, schon jetzt begehrlich auf einen möglichen vierten Band aus seiner Feder schielen lassen.
Jochen Trebesch: Essays zur Literatur III. NORA Verlag. 292 S., geb., 24 €.