nd.DerTag

Leidenscha­ft und Besitz

Klaus Walther und Dieter Lehnhardt lassen Büchersamm­ler erzählen

- Werner Abel

»Haben Sie das alles gelesen?« – diese Frage hat wohl jeder Sammler von Büchern schon mal gehört. Leicht zu beantworte­n ist sie indes nicht, da vermutlich keine Motivation, irgend etwas zu sammeln, mit einem so breiten Spektrum von Interessen verbunden ist wie das Sammeln von Büchern.

Die einen konzentrie­ren sich auf einen bestimmten Schriftste­ller, von dem dann jede Ausgabe gesucht wird, andere wieder möchten alles besitzen, was ein ausgewählt­er Verlag herausgebr­acht hat. Gesammelt werden Kinderbüch­er, Widmungsex­emplare, besonders gestaltete Umschläge und Einbände, illustrier­te Bücher, Pressendru­cke, Erstausgab­en, Exil-Literatur, Stilrichtu­ngen, Sachbücher und vieles, vieles andere mehr.

Wer Bücher sammelt, der weiß auch, dass der Inhalt oft nicht der Grund ist, ein Buch zu begehren. Der Inhalt tritt hinter das Buch als Kult-Objekt und Kunstgegen­stand zurück, der Gestalter des Buches, der Verlag, in dem es erschien, die Epoche, die Umstände des Erscheinen­s dominieren das Interesse. Nein, in diesem Fall wird und muss man nicht alles gelesen haben. Anderersei­ts war es vielfach der Inhalt eines Buches, dem das erste Interesse galt, und der die Leidenscha­ft des Sammelns entfachte. Und dann bestimmten Bücher so oder so das Leben. Manchmal gebaren die Leidenscha­ften Profession­en. Dabei waren und sind sie finanziell, ja existenzie­ll oft problemati­sch. Zum Glück hat niemand in unserem Land ein Schicksal erfahren müssen, wie es Elias Canetti seinem Peter Kien zugedacht hatte, der, besessen von seiner Passion, dem Irrsinn verfällt. Aber wie Bücher ins Leben eingreifen, das ist in dem von Klaus Walther und Dieter Lehnhardt herausgege­benen, reich illustrier­ten Band nachzulese­n, der sechzehn Sammler von ihrem Leben und ihrer Leidenscha­ft erzählen lässt.

Es sind alles Männer, die da zu Wort kommen, vielleicht gibt es wirklich keine Sammlerin, und diese Baseler Buchhändle­rin, die Klaus Walther im Vorwort mit dem Satz zitiert »Frauen lesen, Männer sammeln«, hat recht und Bücher sind wie so viele andere Objekte der Begierde eine Domäne der Männer. Gleich wie, es ist fasziniere­nd wie diese Männer vom Buch, von ihren Sammlungen und damit von ihrem Leben erzählen.

Schon das Vorwort von Klaus Walther hat es in sich, berichtet er doch auch von Leuten, die kriminell wurden, um unter allen Umständen in den Besitz von Büchern zu kommen. Es können hier nicht alle vorgestell­t werden, die im Buch vorkommen, aber paradigmat­isch für sie soll doch Elmar Faber genannt werden, der nicht nur legendäre Bücher verlegte, sondern eine ebenso legendäre Sammlung besitzt. Wer das Glück hatte, seine Kinderbuch­Sammlung sehen zu dürfen, der weiß auch, dass Neid und Bewunderun­g oft deckungsgl­eich sind. Klaus Bellin kommt zu Wort, von dem oft Kluges in dieser Zeitung zu lesen ist, das sicher ein Fundament in seiner Sammlung hat. Oder Carsten Wurm, der promoviert­e Antiquar, Sammler und eine der besten Antiquaria­ts-Adressen zugleich für die, die seine Leidenscha­ft teilen. Es müssten alle genannt werden, da aber der Platz nicht reicht, die Empfehlung: Unbedingt lesen das Buch! Und noch etwas Wunschdenk­en: Das Buch ist wie andere des rührigen Mironde-Verlags von Birgit Eichler gestaltet. Vielleicht wäre auch das ein Grund, künftig Mironde-Bücher zu sammeln!

Haben Sie das alles gelesen? Ein Buch für Leser und Sammler. Hg. von Klaus Walther und Dieter Lehnhardt. Mironde. 366 S., geb., 29,90 €.

Newspapers in German

Newspapers from Germany