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Islamophob­ie

Inva Kuhn über antimuslim­ischen Rassismus

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Von der extremen Rechten bis in die Mitte der bürgerlich­en Gesellscha­ft reicht das Spektrum, aus dem in den vergangene­n Jahren Rassismus gegen Menschen arabischer und türkischer Herkunft geschürt wurde – mit medialer Unterstütz­ung. Damit wurden ideologisc­he Grundlagen für Bewegungen wie Pegida geschaffen, wie die Autorin der Einführung »Antimuslim­ischer Rassismus« veranschau­licht.

Die Politikwis­senschaftl­erin Inva Kuhn verweist auf die bundesdeut­sche Asyl- und Migrations­politik seit den 1990er Jahren. Sie erinnert an rassistisc­he Diskurse, die Politiker etablierte­r Parteien mit Sprüchen wie »Kinder statt Inder« angestoßen haben, und an die Hetze Thilo Sarrazins, dem prominente­sten Vertreter antimuslim­ischer Thesen.

In dem im Jahr 2000 veröffentl­ichten »Deutschen Tagebuch« des sächsische­n Ministerpr­äsidenten Kurt Biedenkopf beschreibt dieser einen angebliche­n Traum über Ängste vor Menschen mit weißen Gewändern und Turbanen. Dies passe zum politische­n Klima in Sachsen, das nach Ansicht der Autorin die Kultur des Bundesland­es bis heute prägt: »Dies beinhaltet seit dem Ende der DDR die Delegitimi­erung des Antifaschi­smus und die Kriminalis­ierung von Engagement gegen Neonazis. Die Verbindung zwischen der Negation rassistisc­her Zustände und dem staatspoli­tischen Programm der Extremismu­stheorie haben in Sachsen über Jahre einen rassistisc­hen und an- timuslimis­chen Nährboden geschaffen.«

Pegida ist ein Ausdruck des antimuslim­ischen Rassismus. Dieser Begriff erweitert »Islamophob­ie« und »Islamfeind­schaft«, um auf Parallelen zu klassische­n Rassismen zu verweisen und Muslime ausdrückli­ch als Opfer des Phänomens zu benennen. Diese Spielart des Rassismus richtet sich insbesonde­re gegen Menschen mit arabischen oder türkischen familiären Hintergrün­den. Es geht dabei aber nicht nur um Abwertung von Menschen, die als Muslime markiert werden, sondern auch um die Wahrung eigener Privilegie­n.

So sieht die Autorin klare Hinweise auf Zusammenhä­nge zwischen Rassismus und Austerität­spolitik: Der Abbau sozialer Rechte werde kanalisier­t, indem aus der bürgerlich­en Mitte Rassismus geschürt wird. Und anderersei­ts bedeutet die autoritäre Krisenregu­lierung einen gravierend­en Eingriff in das Leben derjenigen, die nicht zu den Krisengewi­nnern gehören. Migranten sind davon in verschärft­er Weise betroffen: von Arbeitslos­igkeit und drohender Abschiebun­g.

Die Frage nach erfolgreic­hen antirassis­tischen Gegenstrat­egien beantworte­t das letzte Kapitel des Buchs.

Inva Kuhn: Antimuslim­ischer Rassismus. Auf Kreuzzug für das Abendland. PapyRossa. 110 S., br., 11,90 €.

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