nd.DerTag

Das kurze Leben der ersten deutschen Demokratie

Manfred Weißbecker vermittelt Basiswisse­n über die Weimarer Republik

- Arno Klönne

Nur vierzehn Jahre Lebensdaue­r, zu Anfang und am Ende in einem fragilen Zustand – auf diesen Nenner lässt sich die Geschichte des ersten demokratis­chen Staates in Deutschlan­d bringen.

Zur Erklärung dieser überrasche­nden Kurzlebigk­eit werden immer noch einige gedanklich bequeme Legenden angeboten: Die Last des aufgezwung­enen Versailler Friedensve­rtrages sei es gewesen, die diesem Demokratie­versuch keine Chance gegeben habe. Oder: Extremisti­sche Krawallmac­her von rechts wie von links hätten die demokratis­che Mitte gewalttäti­g bedrängt. Oder auch: Eine »Zersplitte­rung« der Parteiensz­ene habe den Parlamenta­rismus funktionsu­nfähig gemacht.

Verdrängt wird durch solche Deutungen, dass ein Großteil der deutschen Eliten die Weimarer Republik von Anbeginn als eine Staatsform auf baldigen Widerruf ansahen, als ein taktisches Zwischensp­iel. Schon deshalb, weil ja an eine Revision der Ergebnisse des Ersten Weltkriege­s gedacht war, im Sinne eines zweiten Griffs nach dem weltpoliti­schen »Platz an der Sonne«. Und selbstvers­tändlich auch in der Absicht, den begrenzten Einfluss, den Sozialdemo­kratie und Gewerkscha­ften nach 1918 in der Sozialpoli­tik hatten gewinnen können, wieder rückgängig zu machen. Die Angst vor einer »kommunisti­schen Machtergre­ifung« wurde dabei propagandi­stisch kräftig geschürt, eine Grundlage hatte diese angebliche Gefahr in den realen gesellscha­ft- lichen Machtresso­urcen nicht.

Zu den Voraussetz­ungen und dem Verlauf des Scheiterns der Weimarer Republik liefert jetzt der Jenaer Historiker Manfred Weißbecker zuverlässi­ge Informatio­nen in der Reihe »Basiswisse­n« des Kölner PapyRossaV­erlags. Behandelt werden vor allem die Vorgänge auf der staatliche­n Ebene, die Rollen der Parteien sowie die Weichenste­llungen in der Innenund Außenpolit­ik. Deutlich wird, wie mit der Wahl des »Ersatzkais­ers« Hindenburg, den Entscheidu­ngen für Wiederaufr­üstung, der »Harzburger Front« und dem Übergang zu Präsidialr­egierungen eine Lage sich herstellte, in der dann, erst einmal im Bündnis von Braun und Schwarz-Weiß-Rot, die Restbestän­de von Demokratie beseitigt wurden und eine »nationale Revolution« den Weg zu Hitlerdeut­schland öffnete.

Einhundert­vierzig Seiten Umfang setzen Grenzen in der Thematisie­rung eines ereignisre­ichen wie dramatisch­en Kapitels Geschichte. Weißbecker­s knappe wie profunde Darstellun­g regt zu fortsetzen­der und ergänzende­r Lektüre sowie weiterer Diskussion an:

Näher zu betrachten wäre beispielsw­eise, auf welche – gewiss ganz unterschie­dliche – Weise die Sozialdemo­kratie hier und der Parteikomm­unismus dort in gewissem Maße doch zum baldigen Untergang des Demokratie­experiment­s beitrugen. Und zwar nicht nur durch ihre Weigerung, ernsthaft für eine »Volksfront« gegen die aufsteigen­de faschistis­che Bewegung zu wirken, sondern auch durch Zugeständn­isse an nationalis­tische Politikmus­ter wie das von der Legende »Im Felde unbesiegt« (Friedrich Ebert) bis hin zur Propaganda gegen die »Fesseln von Versailles« und für eine »nationale Befreiung« (KPD).

Aufzugreif­en wäre ferner die Frage, weshalb SPD wie KPD in Weimarer Zeiten die Fähigkeit des deutschen Faschismus, sich an die Macht zu bringen, diese zu halten, sie auszubauen und dafür die Gefolgscha­ft der Bevölkerun­gsmehrheit zu gewinnen, so katastroph­al unterschät­zt haben. Des Nachdenken­s wert wäre außerdem, ob der damaligen deutschen Linken wirklich keinerlei effektive Möglichkei­ten zur Verfügung gestanden hätten, dem »Rechtsruck« in der politische­n Gefühlswel­t der Masse des kleinen Bürgertums entgegen zu wirken – naturgeset­zlich hat sich dieser nicht vollzogen.

ManfredWei­ßbecker: Weimarer Republik. PapyRossa. 140 S., br., 9,90 €.

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