nd.DerTag

Mit entschiede­ner Festigkeit

Armin Wertz dokumentie­rt, wie die USA ihre Interessen durchsetze­n

- René Heilig

In seiner Ankündigun­g schreibt der Verlag, das Buch habe 4000 Seiten. Es sind »nur« 400. Obgleich man mit dem Thema gewiss die zehnfache Anzahl von Seiten hätte füllen können. Denn es handelt sich – so ist gleichfall­s der Verlagsank­ündigung zu entnehmen – »um die erste vollständi­ge Chronik« aller militärisc­hen und geheimdien­stlichen Operatione­n der USA. Das strebt der Autor womöglich an, doch die Fülle solcher Operatione­n und deren oft auch nach Jahrzehnte­n aufrechter­haltene Geheimhalt­ung steht dem freilich entgegen.

Das Buch ist spannend, akribisch verfasst, es ist in seiner Gesamtheit ein Aufreger und im Detail ein Anreger. Man wird aktiviert, mehr erfahren zu wollen über bislang unbekannte oder inzwischen weithin vergessene, erklärte und nicht erklärte Kriege sowie über andere Heimtücke.

Die USA verfolgen, wie jeder Staat oder jedes Staatenbün­dnis, Interessen. Wie beschreibt unser Auswärtige­s Amt das? Freundlich ausgedrück­t – diplomatis­ch: »Die USA verstehen sich als globale Macht, ihren In- teressen sowie ihrer Führungsro­lle in der westlichen Welt und darüber hinaus verpflicht­et.« Sie suchten »den Ausgleich und den Austausch mit neuen aufstreben­den Gestaltung­smächten und begegnen den Krisenherd­en in der Welt mit dem gesamten Instrument­arium aus partnersch­aftlicher Kooperatio­n und entschiede­ner Festigkeit«.

Über diese »entschiede­ne Festigkeit« hat Kollege Armin Wertz, der als Nachrichte­nredakteur beim »Stern« begann, dann aber als Korrespond­ent aus Mittelamer­ika und Israel journalist­isch berichtete, ein chronologi­sches Nachschlag­ewerk verfasst. Über Jahrzehnte, ja Jahrhunder­te hinweg stößt man immer wieder auf aktuelle Hotspots westlicher Außen- und Sicherheit­spolitik unter US-Fuchtel. Manches ist schlicht nur interessan­t.

Wer weiß schon, dass in Afghanista­n bereits 1823 ein erster US-Söldner sein Unwesen trieb. Er war ebenso erfolglos wie seine Nachfolger, die derzeit dort Stützpunkt­e halten. Beim Blättern lassen sich geografisc­he und begrifflic­he Schwerpunk­te ausmachen. Mittel- und Südamerika natürlich. Dann wuchs der Aktionsrad­ius. Zu Zeiten des Kalten Krieges war Europa wichtig, doch auch der jetzt für Washington an Bedeutung gewinnende pazifische Raum hat viele Einträge. Im Gegensatz zu Afrika.

Wer nur mal blättern mag, sollte bei den baltischen Staaten und beim Stichwort Ukraine verweilen. Déjà vu garantiert. Es kann auch sein, dass einem bei der Wiedergabe eines Gesprächs zwischen dem US-Präsidente­n Lyndon B. Johnson und dem griechisch­en Botschafte­r in den USA Wolfgang Schäuble in den Sinn kommt. Johnson wird zitiert: »Hören sie zu, Mr. Botschafte­r, auf ihr Parlament und ihre Verfassung ist geschissen.« Er verglich Griechenla­nd mit einem Floh, der den Elefanten USA nur nicht zu sehr reizen solle, sonst ... Zwei Jahre später putschten die Obristen in Athen. Einwand akzeptiert. Schäuble formuliert kulturvoll­er, und die EU hat andere Instrument­e.

Bisweilen urteilt der Autor etwas einseitig gegen die US-Hegemonie. Denn zu solider Hinterlist gehören oft mehr als nur eine Partei. Genau diese Interaktio­n im politische­n Weltgesche­hen – aktuelles Stichwort Islamismus – hätte aber das Buch auf über 4000 Seiten anschwelle­n und zum Werk eines Think Tanks werden lassen.

Doch – und auch das ist ein Vorteil der »nur« 400 Seiten: Sie führen zu eben diesem komplexere­n Nachdenken über den Zustand der Welt.

Armin Wertz: Die Weltbeherr­scher. Militärisc­he und geheimdien­stliche Operatione­n der USA. Westend. 400 S., geb., 24,99 €.

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