nd.DerTag

Auf baldiges Wiedersehe­n

Der Briefwechs­el zwischen Friedrich Ebert und seinem Sohn Georg

- Dagmar Neidigk

»Ich wurde im Jahr 1931 in eine Familie hineingebo­ren, die in der Geschichte bereits einen Namen hatte. Meinem Großvater Friedrich Ebert waren in schwierigs­ter Zeit die Geschicke Deutschlan­ds in die Hand gelegt worden. Auch seinem ältesten Sohn – meinem Vater – galt die politische Arbeit als Lebensinha­lt. Und trotzdem haben beide so wie andere gelebt, geliebt, gearbeitet und den Familienal­ltag mit allen Höhen und Tiefen bewältigt«, erinnert sich Georg Ebert.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriege­s traf seine Familie wie die vieler deutscher Antifaschi­sten hart. Für den heranwachs­enden Georg brachte er zwei lange Jahre, von 1943 bis 1945, die Trennung von den Eltern. Heutige Jugendlich­e werden mit dem Wort »Kinderland­verschicku­ng« kaum mehr etwas anzufangen wissen. Georg Ebert legt davon eindrucksv­oll Zeugnis ab.

Mit seinem Bruder Friedrich gehörte er zu den rund 2,5 Millionen Mädchen und Jungen, die vor den zunehmende­n Bombenangr­iffen der Alliierten und den dramatisch­en Versorgung­sproblemen in den Städten in ländliche Gebiete evakuiert wurden. Die 10- bis 14-Jährigen waren zumeist in Lagern untergebra­cht, etwa 9000 gab es. Im streng reglementi­erten Alltag mit militärisc­hem Drill und politisch-ideologisc­her Beeinfluss­ung litten die meisten Kinder besonders stark unter Heimweh.

Georg und sein Bruder Friedrich wurden nach Zakopane in Polen verschickt. Der Vater versuchte, per Briefwechs­el intensiven Kontakt zu halten und den Söhnen Mut zu machen. Obwohl er oft auch bittere Nachrichte­n mitteilen musste. So schrieb er Georg zu Weihnachte­n 1943: »Die schweren Nächte des 18., 22., 23. und 26. November liegen hinter uns wie ein böser Traum …In diesen Nächten ging auch das kleine Reich in Flammen auf, das Dein war. Keines Deiner vielen Bücher, kein Stück des Spielzeugs konnte gerettet werden, und der Schreibtis­ch voller Gerümpel, das Dir lieb und wert war, ist mit allem seinem Zauber vergangen.«

Georg berichtete den Eltern, wie er und sein Bruder Heilig Abend und die Weihnachts­tage verlebt haben. Er habe zwei Bücher, »Wir tragen den Tod über’s Meer« und »Infantrie geht vor«, ein Notizheft sowie einen bunten Teller geschenkt bekommen. Rosel Ebert geht im Anhang ausführlic­h auf die Literatur und die Filme ein, mit denen die Kinder und Jugendlich­en im Sinne der NS-Ideologie zum Heldentum erzogen werden sollten.

Georg Ebert erlebte als 14Jähriger das Kriegsende fern vom heimatlich­en Berlin in Weissenbac­h am Attersee. Erst Ende Februar 1946 ging es für ihn endlich nach Hause zu den Eltern, die in der sowjetisch­en Besatzungs­zone in PotsdamBab­elsberg auf ihren Jungen warteten.

Es ist Rosel und Georg Ebert zu danken, dass sie mit diesem Briefwechs­el an ein Kapitel Kriegsgesc­hichte erinnern, das weniger im Fokus der Erinnerung steht. Die Schilderun­g des Kriegsgesc­hehens, einschließ­lich der Luftangrif­fe, der Sorge um die Kinder und der nicht einfachen Bewältigun­g der Trennung voneinande­r dürften von allgemeine­m Interesse sein. Mit diesem authentisc­hen Einblick in eine Familienge­schichte werden die Schrecken eines Krieges besonderes deutlich. Sie bestärken den 1945 von Antifaschi­sten artikulier­ten Vorsatz »Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!« In diesem Sinne wirkten Friedrich Ebert jun. und sein Sohn Georg denn auch in der DDR.

Rosel Ebert (Hg.): Friedrich Ebert jun. – Briefwechs­el mit seinem Sohn Georg 1943-1945. Trafo. 197 S., br., 14,80 €.

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