Deutsche Bank spart untenrum
Verkauf der Postbank sowie Filialschließungen sollen Effizienz steigern
Frankfurt am Main. Das Spiegelbild der Deutsche-Bank-Zentrale in Frankfurt am Main wirkt auf den Betrachter leicht geknickt. Fakt ist: Deutschlands größtes Bankhaus gerät nach dem Willen seiner beiden Co-Chefs, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, in Bewegung. Der von Vorstand und Aufsichtsrat am Freitag abgesegnete und am Montag bekannt gegebene Sanierungsplan wird eine Schrumpfkur sein. Gespart wird dabei »untenrum«, am Privatkundengeschäft. Allein mit der Trennung von der Tochter Postbank will die Bank ihre Kosten um drei Milliarden Euro jährlich drücken. Mehr als jede vierte eigene Filiale in Deutschland – inklusive Berliner Bank – wird zudem geschlossen, aus sieben bis zehn Auslandsmärkten wolle man sich zurückziehen, wurde am Montag mitgeteilt. 3,5 Milliarden Euro soll dies sparen. Um rund 150 Milliarden Euro eingedampft wird das Kapitalmarktgeschäft.
Die Postbank mit ihrem überwiegenden Privatkundengeschäft soll mittels eines für solche Fälle üblichen Tricks, dem »Squeeze out«, aus dem Unternehmen gedrängt und bis Ende 2016 wieder an die Börse gebracht werden. Am Morgen erst hatten ver.di und Postbank ihre Tarifverhandlungen beendet. Es klingt wie eine Beruhigung, und das soll es wohl auch: Postbank-Mitarbeiter sind bis Mitte 2017 vor Kündigungen sicher. Danach nicht mehr. Ver.di hatte einen Kündigungsschutz bis 2020 erreichen wollen.
Die Auswirkungen für das eigene Personal der Deutschen Bank sind offen. »Wir haben noch keine Entscheidungen bezüglich der Personalmaßnahmen getroffen«, sagte Fitschen. Gespräche mit dem Betriebsrat hätten noch nicht begonnen. Ende 2014 zählte der Konzern weltweit gut 98 000 Vollzeitstellen. Die Integration des Privatkundengeschäfts der Postbank und der Deutschen Bank wird sofort eingestellt.
Hat Jürgen Fitschen im Kirch-Prozess gelogen oder es bloß unterlassen, auf angebliche Unwahrheiten hinzuweisen? Das Landgericht München I will dies nun klären.
Der größte Wirtschaftsprozess seit dem Mannesmann-Verfahren vor gut zehn Jahren beginnt mit einer Kundgebung. Schon am frühen Morgen demonstrieren am Dienstag Kunden der Deutschen Bank vor dem Landgericht München I in der Nymphenburger Straße. Sie klagen auf Plakaten, dass die Deutsche Bank in Hunderten von Rechtsstreitigkeiten »nach Strich und Faden die Gerichte belogen hat«, so der Göttinger Rechtsanwalt Reiner Fuellmich.
Drinnen im Verhandlungssaal B 273/II wird Richter Peter Noll allerdings nicht über den Verkauf von ver- meintlichen Schrottimmobilien an ahnungslose Käufer urteilen, sondern über mögliche Falschaussagen im jahrelangen Rechtsstreit mit dem verstorbenen Medienmogul Leo Kirch und dessen Erben. Bis zu zehn Jahre Haft drohen dem Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, falls sich der Vorwurf des versuchten schweren Betrugs erhärtet. Angeklagt sind auch Fitschens Vorgänger Josef Ackermann und Rolf-Ernst Breuer sowie zwei weitere frühere Deutsche-BankVorstände.
Die Vorgänge, die bis September immer dienstags verhandelt werden, liegen 13 Jahre zurück. Damals gab Vorstandsboss Breuer in den USA ein Fernsehinterview, in dem er auf Probleme des Filmhändlers Kirch hinwies. Als dessen TV-Konzern zwei Monate später pleite war, gab er Breuer die Schuld und klagte auf vier Milliarden Euro Schadensersatz. Es folgte ein Prozessmarathon. Kurz vor einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes gab die Deutsche Bank nach und zahlte freiwillig 925 Millionen Euro an die Kirch-Erben.
In den Verfahren sollen die Bankvorstände die Richter angelogen haben. Breuer habe Kirch mit seinem Interview bewusst in den Ruin treiben wollen; Breuers Kollegen hätten diesen durch Falschaussagen gedeckt. Die Staatsanwaltschaft in der bayerischen Landeshauptstadt begann ihre Ermittlungen, die nun in das Verfahren vor dem Landgericht münden.
Das Verfahren trifft die Deutsche Bank in einem schwachen Moment. Am Montag wurde die neue Strategie auf einer Pressekonferenz vorgestellt: Die Deutsche Bank will weiterhin führende globale Universalbank sein und zu den US-amerikanischen Großbanken aufschließen. Mit US-amerikanischen und britischen Behörden einigte man sich auf eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar wegen Zinsmanipulation im Libor-Skandal. Gleichzeitig kündigte die Bank an, dass sie die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten um 1,5 Milliarden erhöht. Intern toben Grabenkämpfe zwischen Investmentbankern und klassischen Deutschbankern, die sich vor allem als Dienstleister der deutschen Unternehmen sehen. Interne Mails wurden an die Öffentlichkeit weitergegeben.
In dem Münchner Prozess wird es darum gehen, ob die früheren Aussagen Fitschens »schlicht inkonsistent« und seine Erinnerungen »ersichtlich unrichtig« seien, so der Vorwurf. Allerdings scheint Oberstaatsanwältin Christiane Serini überzeugt, dass der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken nicht gelogen, sondern es bloß unterlassen habe, angeblichen Un- wahrheiten seiner Kollegen zu widersprechen. Fitschen will wohl kämpfen. Einen Vergleich, bei dem er mit einer Geldstrafe davongekommen wäre, hatte er dem Vernehmen nach abgelehnt. »Ich habe weder gelogen noch betrogen«, betont der Banker.
Doch weiteres Ungemach droht. Diverse Rechtsstreitigkeiten in aller Welt sind offen. Längst hat sich die Aufarbeitung der Finanzkrise in die Gerichte verlagert. Etwa zwölf Milliarden Euro verbrannten Fitschen und Co-Chef Jain schon für Rechtsstreitigkeiten, Verluste aus toxischen Wertpapieren und Strafen für Betrug sowie Manipulationen ihrer Vorgänger. Zudem werfen die britischen und amerikanischen Behörden der Bank vor, die Aufklärung des Libor-Skandals auch noch verzögert zu haben, als Jain und Fitschen bereits an der Spitze der Bank standen.